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Die Wartburg-311/312-Baureihe |
und Zwickau, vor dem Krieg Zentren der deutschen Auto-Industrie, lagen jetzt in der Sowjetisch Besetzten Zone, aus der am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik hervorging. Was nicht ohne Konsequenzen für die vor- her dort hergestellten Fabrikate blieb: Die Marke Wanderer etwa verschwand voll- ständig, einige BMW-Modelle aus den drei- ßiger Jahren wurden unter der Bezeichnung |
von Dieter Günther Bereits 1899 hatten die Dixi Automobilwer- ke AG in Eisenach begonnen, Autos in französischer Lizenz unter der Bezeichnung Wartburg auf den Markt zu bringen. Ge- nau 56 Jahre später, 1955. besannen sich die VEB Eisenacher Motorenwerke dieses Namens und präsentierten eine neue, intern 311 genannte PKW-Baureihe. Wir haben uns mit diesem Wartburg, der bis 1966 in Produktion blieb, näher befaßt. Als der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945 zu Ende war, hatten sich die politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse ver- schoben - auf der ganzen Welt und beson- ders in Deutschland. Chemnitz, Eisenach |
Schaut ein wenig verschreckt. Junge Dame vor Wartburg-Limousine. |
Nach Pössneck 13 km - im Wartburg natürlich ein Kinderspiel! |
Seltene Sache: ein Hardtop-Coupé von 1966, erkennbar am neuge- stalteten Kühlergrill. EMW (für Eisenacher Motoren-Werke) weiter in Eisenach hergestellt - zunächst allerdings unter Kontrolle der Sowjetunion, die im September 1946 den Betrieb der SAG Awtowelo angeschlossen hatte. Dane- ben feierten zwei DKW-Modelle - als IFA F 8 und F 9 in Zwickau gebaut - ihre Auf- erstehung. Jener Wartburg 311, der 1955 erstmalig ge- zeigt wurde, löste sowohl sämtliche EMW wie auch den IFA F 9 ab, als dessen weiter- |
entwickelter Nachfolger er anzusehen war. Und stellte damit die Weichen für die Zu- kunft: Noch heute basieren die aktuellen Wartburg-Typen auf jenem damals gefun- denen Konzept! Es war aus DDR-Sicht ohne Frage eine klu- ge Entscheidung, die Fertigung der sechszy- lindrigen EMW auslaufen zu lassen und statt dessen den kleinen Zweitakter zum Ausgangspunkt einer eigenen Autoproduk- Erregte zu recht Bewunderung: der Sport. |
Das sogenannte Coups präsentierte sich als echtes Hardtop, bei dem sich die Seitenfenster versehen ließen, ohne daß ein Pfosten stehen blieb. |
Pferde und Autos - eine Kombination, auf die schon Herr Bugatti setzte. Nochmals das Hardtop-Coupé. |
Eine Art Wartburg-Vorgänger: das P70 Coupé. Der Wartburg Pick-up. DKW-Prototyp zurückging, der kurz vor dem Krieg in Sachsen auf die Räder gestellt wurde. Mit traditionellem Frontantrieb ausgerüstet, besaß er eine Besonderheit ge- genüber allen früheren DKW-Zweitaktern: Unter seiner Haube arbeiteten jetzt drei statt zwei Zylinder. So natürlich auch im jüngsten Eisenacher Produkt, dessen Ent- wicklung eineinhalb Jahre gedauert hatte, |
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tion zu machen - auch wenn das erst 1952 möglich wurde. Da nämlich übergab die Sowjetunion die SAG Awtowelo, Werk Eisenach, der DDR-Regierung, die daraus den Volkseigenen Betrieb VEB Automobil- werk Eisenach (abgekürzt AWE) machte. Der nächste wichtige Schritt in diese Rich- tung erfolgte 1953, als die Herstellung des |
IFA F 9 von Zwickau nach Eisenach verlegt wurde, während man den älteren F 8 weiter in Zwickau montierte (und aus ihm erst den P 70 und dann den Trabant entwickelte). Wie gesagt: Der Wartburg 311 entsprach in seiner technischen Grundkonzeption weit- gehend dem IFA F 9, der ebenso wie der 1953 vorgestellte DKW F 91 auf jenen |
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würde. Und tatsächlich konnte man ihn 1960 - jedenfalls laut einem offiziellen Prospekt - in rund 30 Ländern anbieten. |
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wie aus einer uns freundlicherweise vom VEB Automobilwerk Eisenach zur Verfü- ung gestellten Broschüre hervorgeht: "1954 lief bereits konstruktion, Versuch und Fahrerprobung zur Weiterentwicklung des IFA F 9 zu einem neuen Eisenacher Automohiltyp - dem Wartburg 311 - auf Hochtouren..." Im Oktober 1955 hatte man diese Arbeiten abgeschlossen und eine Null-Serie gefertigt, die letzte Aufschlüsse über die Serientaug- |
lichkeit des Neulings geben sollte. Unter anderem ließ man eine Handvoll Wart- burgs zur Ende 1955 durchgeführten "Ral- lye Wartburg" antreten, wo sie sich präch- tig schlugen. Übrigens eine ungewöhnliche Art, ein neues Modell einzuführen! Die offizielle Vorstellung freilich erfolgte im Frühjahr 1956 auf der Leipziger Messe, während etwa gleichzeitig auf dem Genfer Salon der Wartburg sein internationales Debüt gab. Woraus man die vielleicht wich- tigste Aufgabe des neuen Modells ableiten kann: Man hoffte in Eisenach, daß der neue Wagen zum Exportschlager werden |
Blick ins Wartburg-1000-Cockpit. |
Rundinstrumente, übersichtlich angebrachte Schalter, eigenartig geformtes 1000-Armaturentafel. |
Die Limousine de Luxe vor historischer Kulisse. |
Werkelte vor der Vorderachse: Wartburg-Dreizylinder. Wartburg-Käufer bekamen eine Menge Au- to für ihr Geld. Größter Pluspunkt der vier- türigen Limousine war zweifelsohne ihre ebenso elegante wie geräumige Karosserie, gleichzeitig die einzig echte Neuerung ge- genüber dem Vorgänger-Modell. Mit sechs Seitenscheiben versehen (das kleine hintere Dreiecksfenster kommt gerade jetzt wieder groß in Mode!), bot sie fünf Personen gut Platz und war obendrein komplett ausgerü- stet: Ein beleuchteter Koffer- und Motor- raum etwa zählten nicht zu dem, was man in dieser Klasse üblicherweise erwarten durfte. Sogar einen Hupring gab es - im |
Prospekt mit einem "b" geschrieben ("Hubring"). Womit der Wartburg gleich klar machte, daß er aus der thüringisch- sächsischen Gegend kam. Das Armaturenbrett war übersichtlich und modern gestaltet, den sehr bequemen Vor- Der Dreizylinder im Schnitt. |
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Das Viergang-Getriebe des Wartburg, das über einen Hebel am Lenkrad geschaltet wurde. |
schluß: Die Kofferklappe nämlich ließ sich mittels eines Hebels von der Rückbank aus entriegeln, der Tankdeckel vom Koffer- raum aus. Dadurch gestaltete sich das Ben- zinfassen zur umständlichen Prozedur, von einem zeitgenössischen Test so beschrieben: "Aussteigen, linke Hintertür öffnen, im Wagenfond Kofferverschluß betätigen, Kofferdeckel öffnen, im Kofferraum auf einen Knopf drücken, der die Tankver- schlußtür öffnet, Tankverschluß öffnen. Dann muß noch dem Benzin das Öl beige- mischt werden..." Daß das nicht der Weis- heit letzter Schluß war, erkannte man auch |
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des Guten zuviel getan und damit das Ge- genteil erreicht - wie etwa bei der Bedien- barkeit von Kofferraum- und Tankver- |
dersitzen hatte man sogar Liegesitzbeschlä- ge spendiert. Leider hatte man in dem Be- mühen um komfort in ein paar Punkten |
in Eisenach - und so ließ sich beim 1960er Modell der Einfüllstutzen von außen be- dienen. Sonst gab es an der Karosserie wenig auszu- setzen. Sie war ausgesprochen robust ge- baut und ruhte auf einem kräftigen Kasten- rahmen. der DkW-Fahrern ein vertrauter Anblick sein dürfte (von einigen Detailmo- difikationen abgesehen). Das galt natürlich auch für das Fahrwerk mit vorderer und hinterer Querblatt-Feder sowie Querlenkern an der Vorderachse. Auf Schmiernippel war verzichtet worden, dafür eine vom Fahrersitz aus bedienbare Zentralschmieranlage montiert; das Vier- gang-Getriebe, über Lenkrad-Schaltung be- dienbar, hatte man direkt vom IFA F 9 übernommen: Ein altertümliches Klauen- System mit unsynchronisiertem ersten und zweiten Gang, dessen Handhabung wenig Freude machte. Dazu gab es einen zuschalt- baren Freilauf. Die solide Karosserie, der Rahmen, die reichhaltige Ausstattung - das alles schlug sich in einem hohen Wagengewicht nieder. Nochmals der Bellevue. |
Die interessanteste Version, der Bellevueging leider nicht in Serie. Selbst einen stilvollen Anhänger gab es - un der Fahrer dieses Pick-up konnte sein Gefährt sogar in ein Cabrio verwandeln!. |
Die Standard-Limousine, die einfachste Ausführung des DDR-Autos. |
passen. Umgeformte Brennräume und eine geänderte Auspuff-Anlage sorgten schließ- lich für 37 PS aus exakt 900 ccm Hubraum - immerhin ein Zuwachs von 5 PS gegen- über dem Vorgänger. Der noch in anderen Punkten überarbeitete Motor - ein neues Zündsystem sollte selbst bei hohen Dreh- zahlen für aussetzerfreie Funktion sorgen - konnte auch nach der Leistungskur dem Wartburg kein üppiges Temperament be- scheren. Immerhin: Knapp 120 km/h lief das Auto, für damalige Verhältnisse kein schlechter Wert. |
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So wog die fahrfertige Limousine über 1000 kg - eine Menge Zeug für einen knapp 1 Liter großen Motor. Natürlich wußten das |
auch die Wartburg-Ingenieure und taten deshalb ihr Bestes, dem kleinen IFA- Dreizylinder eine Leistungszulage zu ver- |
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Kombi-Karosserie mit hoch ins Dach gezo- genen hinteren Seitenfenstern, für die das Karosseriewerk Dresden verantwortlich zeichnete. |
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Gab es den 311 anfänglich nur als Limousi- ne, so präsentierte das Automobilwerk Ei- senach innerhalb kurzer Zeit eine unglaub- lich breit gefächerte Modell-Palette: Li- mousine Standard, Limousine Schiebe- dach, Limousine de luxe mit hübscher Zweifarben-Lackierung, Pick-up, dreitüri- ger Kombi-Wagen, fünftüriger Luxus- kombi "Camping", viersitziges Cabrio, viersitziges Hardtop, Bellevue und Sport - dem separaten Fahrgestell sei Dank! Es wa- ren ein paar wirklich interessante Autos darunter, wie etwa der Camping. Im Pro- spekt mit Recht als "Camping-Limousine" bezeichnet, verfügte er über die luxuriöse Ausstattung der Limousine de luxe und hatte eine gekonnt gezeichnete, fünftürige Schön restaurierte Limousine. |
Zwei Limousinen, aufgenommen beim letzten Wartburg-Treffen in Schlitz. Der Wartburg 1000 Kombi, vom Vorgänger-Modell an den unterschiedlich geformten Seitenfenstern unterscheidbar. |
Bot ausreichend Platz für das Urlaubsgepäck: Wartburg-Heck. |
Die originellste Version hieß Bellevue und verkörperte einen Auto-Typ, der sich in den zwanziger Jahren einer gewissen Be- liebtheit erfreute: das Landaulett. Beim Bellevue, der in seinem gesamten Aufbau weitgehend dem viersitzigen Hardtop ent- sprach, reichte das Cabrio-Verdeck nur bis zur B-Säule, bescherte also nur den "Hinterbänklern" ungeteiltes Frisch- luft-Vergnügen. Über gute Aussicht - eben "belle vue" - konnten sich auch die vorderen Passagiere nicht beklagen: Das gesamte, fest montierte Dachteil bestand aus Plexiglas. Leider ging der Bellevue nicht in Serie: Die Verantwortlichen entschieden sich statt dessen für ein viersitziges Cabrio mit tradi- tionellem Verdeck. Der schönste aller Wartburgs freilich war der Sport, der 1957 auf der Leipziger Messe vorgestellt wurde und dort sofort zum Star avancierte. Der intern 313.1 genannte, rei- ne Zweisitzer basierte auf dem gleichen Ka- stenrahmen wie die übrigen Wartburg- Modelle, mit denen er auch den Radstand von 2,45 m gemeinsam hatte. Das schuf günstige Voraussetzungen für die Propor- tionen seiner Außenhaut: Der Raum zwi- |
sehen den Achsen mußte plötzlich nur für eine Sitzreihe genützt werden, während die so eingesparten Zentimeter anderweitig un- tergebracht werden konnten. Anderweitig: Das hieß heim Wartburg-Sportwagen, daß sie der Länge des Bugs zugute kamen und so für einen Zweisitzer mit langer Motor- haube und wirklich sportlicher Linienfüh- rung sorgten. Nur bei optischen Retuschen wollten es die Wartburg-Techniker nicht bewenden las- sen. Zwei Vergaser brachten die Motorlei- stung auf 50 PS, dazu gab es ein anders ab- gestuftes Getriebe - laut Werksangaben sollten damit 140 km/h drin sein. Der nur in Weiß oder Rot lieferbare Sport- wagen kostete in der Bundesrepublik mit Hard- und Softtop sowie Echt-Leder-Aus- stattung ca. DM 8500,- also gut DM 2000,- weniger als ein vergleichbarer DKW AU 1000 SP. Trotzdem wurde er bei uns so gut wie nicht gekauft, obwohl rührige General- vertretungen die Wartburg-Farben hochzu- halten versuchten. Wartburgs schnelle Verwandtschaft: Melkus. |
Erfolgreicher war da schon die Limousine de luxe, die für ca. DM 5500,- zu haben war. Das war ein wirklich günstiges Ange- bot, zumal das Auto im Lauf der Zeit kon- tinuierlich verbessert wurde. 1959 etwa gab es ein neues Viergang-Getriebe und verbes- serte Bremsen, im Jahr darauf den schon erwähnten geänderten Tankverschluß. 1961 wurde das Wagengewicht auf 920 kg abge- speckt, dazu die Motorleistung auf 40 PS erhöht, was aus dem Wartburg ein echtes 125-km/h-Auto machte. Erstaunlicherweise bewies der Fronttriebler bei zahlreichen Sportveranstaltungen - durchaus nicht nur in sozialistischen Län- dern - seine Siegeschancen. Außerdem |
war da noch ein gewisser Heinz Melkus aus Leipzig, der Wartburg-Fahrgestelle mit leichten Kunststoff-Karosserien versah, Motor und Fahrwerk überarbeitete und so erfolgreiche Rennsportwagen schuf. Seit Ende 1962 kamen Wartburg-Fahrer in den Genuß eines völlig umkonstruierten Motors, dessen 45 PS bei 4200 U/min an- fielen. Durch Erweiterung der Bohrung auf 73,5 mm war der Hubraum auf 991 ccm ge- wachsen. Dazu gab es eine verstärkte Kur- belwelle, andere Zylinder, überarbeitete Ansaugwege sowie eine Pumpen-Umlauf- kühlung, die die bisherige Thermosiphon- Kühlung ablöste. 1965 stand die letzte große Modifikation der Baureihe an: Ein völlig neues Fahrwerk mit Einzelrad-Aufhängung rundum kam zum Einsatz - wenn auch nicht für lange, denn schon ein Jahr später debütierte der |
Ganz rares Stück; Wunderschöner offener Sport, mit 50 PS und Lederpolstern ohne Frage etwas Besonderes. |
Der Sport zum Zweiten, diesmal allerdings dargestellt auf einem zeitgenössischen Pressefoto, das uns - wie viele andere - freundlichenweise vom VEB Automobilwerk Eisenach zur Verfügung gestellt wurde. |
neue Wartburg 353 und löste sämtliche nun 312 genannten Vorgänger ab. Von der einst üppigen Modell-Palette war schon 1965 nur wenig übriggeblieben: So hatte der neue 1000 HT alle sportlichen Zweitürer - lei- der nur unzureichend - ersetzt, denn diese auch Hardtop-Coupe genannte Version war mit ihrem merkwürdigen Kühlergrill keine formale Meisterleistung. Kein Wunder also, daß noch heute viele Wartburg-Freunde wehmütig an den wun- derschönen Sportwagen mit der langen Mo- torhaube denken! |
Bericht aus Oldtimer Markt 11/1987