AUTOMOBILWERK EISENACH

Eine Entwicklung zum

vorbildlichen sozialistischen Betrieb
 
 
 
 
Die thüringische Stadt Eisenach ist in der Welt durch historische
Ereignisse zu einem festen Begriff geworden und zieht Jahr um Jahr
zahlreiche Besucher aus vielen Ländern an.
Hier steht am Rande des Thüringer Waldes seit etwa 900 Jahren
die Wartburg, von der viele Legenden und Sagen berichten.
Hier wurde 1521 durch den Reformator Martin Luther die einheit-
liche neue deutsche Sprache geschaffen, weil die Überwindung der
damaligen, für den einfachen Menschen fast unverständlichen Ge-
lehrtensprache durch den gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß not-
wendig geworden war.
Im Jahre 1817 riefen auf der Wartburg die fortschrittlichen deutschen
Studenten zum erstenmal zum Kampf für ein einheitliches Deutsch-
land auf.
Heute zeigt die Wartburg nach beendeten Wiederherstellungsarbeiten
ein von baulichen Verfälschungen befreites Bild und zeugt von der
unteilbaren deutschen Kultur, von den wegweisenden Taten des
deutschen Geistes- und Musiklebens und steht damit natürlich im
Mittelpunkt des regen Interesses der vielen Besucher Eisenachs aus
dem In- und Ausland.
In Eisenach gründeten 1869 die revolutionären Führer der jungen
deutschen Arbeiterbewegung, Liebknecht und Bebel, von Marx und
Engels unterstützt, die Sozialdemokratische Partei, die sich auf dem
Eisenacher Kongreß aus dem Nürnberger Verband der Arbeiter-
vereine und den linken Lassalleanern bildete. Die "Eisenacher"
traten für die revolutionäre Einigung Deutschlands ein, während
die Lassalleaner - wie Anfang der 60er Jahre Lassalle - eine "schwan-
kende Taktik verfolgten und sich der Hegemonie des Junkers Bismarck
anpaßten" (Lenin).
Doch kommen wir zur Geschichte des Eisenacher Automobilwerkes.
Im Nordosten der Stadt, an der Hörsel, befinden sich seine mächtigen
Hallen und Anlagen, in denen der uns allen bekannte "Wartburg"
entsteht.
   Das Werk hat für den modernen Automobilbau eine sehr alte
Tradition.
Bereits im Jahre 1896 fanden sich im Büro eines Rechtsanwaltes
in Eisenach die Begründer des ehemaligen Werkes zur Bildung einer
Aktiengesellschaft zusammen. Sie ahnten gewiß nicht, daß sich die
"Eisenacher Fahrzeugfabrik" zu solch einem mächtigen Automobil-
werk entwickeln würde, v ie es heute als volkseigener Betrieb den
Arbeitern gehört. Es war ihnen auch gleich, ab sie Kanonen oder
Fahrzeuge produzierten. Ihr Streben war die größtmögliche Aus-
beutung der "Fahrzeuger", wie die Werktätigen dieses Werkes bald
im Volksmund genannt wurden.
Die Aktionäre, Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder kannten nur
eines: ihren Profit. Sie wechselten oft, und mit ihnen auch das Firmen-
schild. Ob als "Fahrzeugfabrik Eisenach" des Rheinmetallkonzerns
oder als Zweigbetrieb der "Gothaer Waggonfabrik" im Rahmen
des Schapirokonzerns, ab "BMW München, Zweigniederlassung
Eisenach" - für die Arbeiter und Angestellten änderte sich nichts,
höchstens, daß diese oder jene Aktiengesellschaft das Geschäft der
Ausbeutung besser beherrschte.
Seit Bestehen des Werkes mußten die Arbeiter einen harten Kampf
um ihre primitivsten Rechte führen. Schon beim Bau des Werkes
 
dixi

 
Artikel aus Motor-Jahr 1959



 
zeigten sich die tiefen Klassengegensätze zwischen Arbeitern und
Aktionären. Der erste ökonomische Streik im Jahre 1899 wurde er-
folgreich beendet. Allein im Jahre 1906 streikte die gesamte Beleg-
schaft über 14 Wochen, und 1910 dauerte der Streik 10 Wochen.
Zahlreiche Kämpfe wurden nach dem ersten Weltkrieg ausgetragen.
Trotz mancher Erfolge verschlechterte sich jedoch die Lage der
Arbeiter und Angestellten immer mehr. Sie hatten immer größere
Lasten zu tragen, ihre Rechtlosigkeit wurde immer offenkundiger -
aber die Profite der Aktionäre nahmen gewaltige Ausmaße an.
Nach der finsteren Nacht des Faschismus standen die Werktätigen
des Automobilwerkes vor einem Nichts. Drei Terrorangriffe anglo-
amerikanischer Bomber hatten im Jahre 1944 über die Hälfte des
Werkes in Schutt und Trümmer gelegt. Mit dem Abzug der amerika-
nischen Besatzungstruppen setzte sich auch die frühere Direktion des
   Werkes ab. Der letzte noch verbliebene Direktor mißbrauchte das
ihm von den Werktätigen entgegengebrachte Vertrauen und ver-
schwand ebenfalls über Nacht. Die letzten Barmittel, selbst für die
laufenden Lohnzahlungen, waren erschöpft. Ein Teil des Bargeldes
war zuvor noch von den Treuhändern der Aktionäre nach München
gebracht worden.
Eines jedoch konnten diese Feinde der Werktätigen nicht mitnehmen:
den Willen der Arbeiterklasse, ein neues Leben ohne Kapitalisten,
Junker und Militaristen aufzubauen. Treu gehütet waren die guten
Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung. Nicht umsonst wurden
in der Zeit des Faschismus zahlreiche Opfer gebracht. Gestützt auf
das überaus reiche Fachwissen der Eisenacher Automobilbauer
und ihre damals über 50jährigen Erfahrungen gingen die Werk-
tätigen daran, die zerstörten Arbeitsstätten wieder aufzubauen.

 
Artikel aus Motor-Jahr 1959


Aus ihrer Mitte wählte sich die Belegschaft einen Betriebsausschuß.
Fachlich qualifizierte Kräfte bildeten die neue Werkleitung, die
erstmals vom Vertrauen der Belegschaft getragen wurde. Die Produk-
tion wurde aufgenommen, täglich erweitert, von Woche zu Woche
und von Monat zu Monat gesteigert.
In der ersten Zeit konnten nur Artikel mit einer kurzen Durchlaufzeit
produziert werden, also solche Erzeugnisse, die spätestens nach
3 Tagen Bargeld bringen, damit den Arbeitern und Angestellten
jeden Freitag der Lohn ausgezahlt werden konnte. Zahlreiche An-
gestellte reihten sich in die Produktion ein. Die Verwaltungskosten
wurden auf das Mindestmaß eingeschränkt. Von rund 250 Beleg-
schaftsangehörigen, die nach dem Ende des faschistischen Krieges
sofort die Arbeit aufnahmen, erhöhte sich die Belegschaftsstärke in
einigen Monaten auf rund 1000. Die Hauptproduktion bildeten
Haushaltsgegenstände und Handwagen.
Zu den allgemeinen Sorgen gesellte sich jedoch eine neue, größere.
Nach dem Potsdamer Abkommen stand das Werk als ehemaliger
faschistischer Rüstungsbetrieb auf der Demontageliste. Nach ein-
gehenden Beratungen legte eine Delegation von Werktätigen dem
sowjetischen Marschall Shukow die Pläne für die neue Produktion
vor. Sie versprach, daß künftig in diesem Werk nur für den Frieden
gearbeitet wird und daß alle Voraussetzungen für eine hohe Quali-
tätsarbeit vorhanden sind. Als Beweis dafür arbeiteten die Eisenacher
Facharbeiter Tag und Nacht an den 5 Probewagen vom Typ BMW
321. Mit einer Begeisterung ohnegleichen wurden innerhalb von 6
Tagen diese 5 Wagen hergestellt. Dann kam der Befehl 93 des
Marschalls Shukow. Er erteilte die Produktionsaufnahme von jährlich
3000 PKW vom Typ 321 und 3000 Motorrädern R 35. Das Werk
erhielt dabei die Unterstützung der Sowjetischen Militär-Admini-
stration für Deutschland.
Neben den planmäßigen Produktionsaufgaben wurden unter
schwierigen Bedingungen alte Kooperationsbeziehungen wieder auf-
genommen und neue geknüpft.
Große Anstrengungen mußten jedoch immer noch auf die Beseiti-
gung der Schutt- und Trümmermassen gerichtet werden. Allein bis
zum November 1945 wurden 50000 m³ Schutt fortgeschafft. Trotz
dieser großartigen Leistung gab es in der Folgezeit noch ungeheure
Trümmermassen zu beseitigen. Aber auch diese Aufgabe haben die
Werktätigen gelöst.
Bei all den schweren Aufgaben wurden die Automobilbauer von
sowjetischen Spezialisten unterstützt.
Ein großer Tag war der 15. September 1946: Das Werk wird als Teil-
betrieb in die "SAG Awtowelo" eingegliedert.
Die aufopferungsvolle Arbeit nach dem Zusammenbruch hatte ihre
Früchte getragen. Dem größten Teil der werktätigen Bevölkerung
Eisenachs war eine begeisternde Perspektive eröffnet worden.
Unter der tatkräftigen Anleitung sowjetischer Ingenieure entwickelte
   dixi
sich das Werk zur größten Automobilfabrik der Deutschen Demokra-
tischen Republik. Neue Baumuster wie der Typ 340 und das Sport-
kabriolett 327 zeugen von Können und Fleiß der Eisenacher Auto-
mobilbauer.
Durch ihre hervorragende Arbeit halfen die Eisenacher Werktätigen,
die Schuld des deutschen Volkes gegenüber den Völkern der Sowjet-
union abzutragen und die heute feste und freundschaftliche Zu-
sammenarbeit beider Völker zu begründen. Der Betrieb nahm einen
gewaltigen Aufschwung. Immer mehr Gebäude wurden aufgebaut
und neue Maschinen angeschafft. Immer mehr Arbeiter fanden Brot.
Der Betrieb wurde nicht nur zu einem Begriff für Eisenach und seine
nähere Umgebung, sondern erwarb sich weit über die Grenzen
unserer Heimat hinaus einen Namen.
Am 5. Juni 1952 wurde das Werk durch die Sowjetregierung in die
Hände des deutschen Volkes übergeben. Vieles haben die Automo-
bilbauer von ihren sowjetischen Freunden gelernt und können das
Werk erfolgreich weiterführen.
Zuerst wurde die gleiche Produktion fortgesetzt, etwas später die
Produktion des Wagentyps F 9 vom VEB Audi Zwickau über-
nommen. Wagen auf Wagen vom Typ F 9 verließ die Tore des
Werkes. Limousinen, Limousinen mit Schiebedach, Kabriolett-
dixi

 
Artikel aus Motor-Jahr 1959


 
BMW Coupe

limousinen, Kabrioletts und Kombiwagen hatten auf zahlreichen
Messen dem prüfenden Auge der Fachleute standgehalten. Der
Export in zahlreiche Länder wuchs von Jahr zu Jahr. Neben den
PKW verließen weit über 80000 Motorräder vom Typ EMW R 35
das Werk. Aus dem Straßenbild unserer Republik sowie zahlreicher
europäischer und überseeischer Länder ist der F 9 und die R 35
nicht mehr wegzudenken.
Begeistert schaffen die Werktätigen des VEB Automobilwerk Eisen-
ach an einem neuen Wagentyp, an ihrem "Wartburg". War der erste
Wagen, der im Jahre 1899 das Werk verließ, ein "Wartburg", so
knüpft der neue wohl an die besten Traditionen des Eisenacher
Automobilbaues an und zeigt uns gleichzeitig, welch riesengroßen
Schritt vorwärts die Automobilindustrie im Verlauf der letzten
60 Jahre getan hat. Mit dem "Wartburg" erreichten die Werktätigen
des Automobilwerkes den Anschluß an das internationale Niveau
und sind bestrebt, ihren Wagen immer mehr zu vervollkommnen.
Im letzten Jahr des ersten Fünfjahrplanes wurde die Milliardengrenze
des Umsatzes weit überschritten.
Geführt von der Partei der Arbeiterklasse, gehen die Eisenacher
Automobilbauer gemeinsam mit den Werktätigen in allen Ländern
des sozialistischen Lagers einer frohen und glücklichen Zukunft ent-
gegen. Gemeinsam führen die Arbeiter, Angestellten, Meister, Tech-
niker und Ingenieure den Kampf um die Einführung der neuesten
Technik und die Erweiterung des Werkes. Der gesamte Betrieb ist
ein einziger Bauplatz. Die Eisenacher Automobilbauer verstehen
ihre Sache.
Bei den Rallyes in vielen Ländern als w.ichtigen Prüfsteinen der Quali-
tät wird die Güte des "Wartburg" ständig bewiesen. Seit vier Jahren
beteiligt sich das Automobilwerk mit seinen serienmäßigen Touren-
wagen ständig an Zuverlässigkeitsfahrten und Rallyes im In- und
Ausland. 53 Goldmedaillen, je 41 Silber- und Bronzemedaillen be-
weisen die Güte der Eisenacher Erzeugnisse. Auch auf diesem Gebiet
setzen sie eine alte Tradition fort. Schon im Jahre 1899 errang der
Namensvorfahre, ein "Wartburg"-Wagen (siehe Bild), auf Ausstel-
lungen und Rennsportveranstaltungen 22 Goldmedaillen und erste
   Preise. Aus rein historischem Interesse sei vermerkt, daß am 14. April
1899 die königliche Polizeidirektion in München vermutlich den
ersten amtlichen Zulassungsschein für einen "Wartburg"-Wagen aus-
stellte. Er trug die Nummer 1, "die am hinteren Teil des Wagens
stets sichtbar anzubringen" war.
Weiterer Qualitätsbeweis der Erzeugnisse der Eisenacher Automobil-
bauer ist die Verwendung des "Wartburg"-Motors im Wassersport.
Der Sieg von Herbert Leide bei der dritten Europameisterschaft in
der Klasse E O I bis 900 cm³ vor dem ebenfalls mit einem "Wart-
burg"-Motor fahrenden Werner Rex, im Juni 1958 auf der Elbe bei
Dresden erfochten, zeugt davon.
Am 10. Jahrestag der volkseigenen Betriebe wurden die Eisenacher
Automobilbauer für ihre hervorragenden Leistungen beim Aufbau
des Sozialismus mit der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit"
durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik
ausgezeichnet. Anläßlich des V. Parteitages der SoziaIistischen
Einheitspartei Deutschlands wurden von den Eisenacher Automobil-
bauern 8400 Einzelverpfiichtungen abgegeben. 5400 Werktätige
stehen im sozialistischen Wettbewerb. Die der Partei der Arbeiter-
klasse abgegebene Verpflichtung "5 Tage Planvorsprung bis zum
V. Parteitag" wurde erfüllt. Am 15. August 1958 wurde den Werk-
tätigen des Automobilwerkes die Wanderfahne des Ministeriums
für Maschinenbau durch den VVB-Leiter, Hauptdirektor Lang,
überreicht. Die Neuerermethoden finden eine immer breitere An-
wendung im Werk. Seit dem ersten Quartal 1958 stehen die Eisen-
acher Automobilbauer im internationalen Wettbewerb mit den
Automobilbauern der Werke "Malolitrazni" in Moskau und
"AZNP Mlada Boleslav" in der CSR.
Dies ist ein knapper Abriß der Geschichte des Werkes. Vor dem
Werk stehen neue, größere Aufgaben. In diesem Werk wird um die
neuen Grundsätze der sozialistischen Moral und Ethik gerungen.
Hier wachsen täglich neue Menschen heran.
Die Eisenacher Automobilbauer wissen, daß der Sieg des Sozialismus
eng verbunden ist mit der Aufrechterhaltung des seit 62 Jahren be-
stehenden Qualitätsprinzips. Der heutige "Wartburg" ist ein wich-
tiger Ausfuhrartikel unserer Deutschen Demokratischen Republik.
Es bestehen Exportverbindungen mit 9 sozialistischen und 21 kapita-
listischen Ländern in Europa und Übersee. Für das Jahr 1959 ist
eine 19,6prozentige Steigerung der Produktion und 21,4prozentige
Arbeitsproduktivitätssteigerung vorgesehen. Um dieses Ziel muß
wieder gekämpft werden. Es ist unser friedlicher Kampf, der von den
Werktätigen auf der Grundlage neuer Arbeitsmethoden und einer
sich stets verbessernden Technologie ausgetragen wird. Er dient in
Eisenach der Verwirklichung des Beschlusses der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands:
"Das Automobilwerk Eisenach wird vorbildlichster sozialistischer
Betrieb des Bezirkes Erfurt."

 
Artikel aus Motor-Jahr 1959


Der Wartburg-Sportwagen vom
VEB Automobilwerk AWE
Eisenach, ein rassig-eleganter
Wagen, der überall dort, wo er
ins Blickfeld fährt, Aufsehen
und Bewunderung erregt
   313 Sport im Hafen

 
Artikel aus Motor-Jahr 1959


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