Unser Test
Wartburg 311 Limousine vom VEB Automobilwerk Eisenach |
Nach langen Bemühungen und dem entsprechen- den Schriftwechsel stellte uns das Eisenacher Auto- mobilwerk leider nur für sehr kurze Zeit einen Seri- enerprobungswagen zum Testen zur Verfügung. Damit können wir heute einen Wunsch zahlreicher Leser erfüllen Wir haben die Limousine in 14 Tagen rund 4000 km gefahren und sie hat unsere Erwartun- gen nicht enttäuscht. Eine allgemeine Beschreibung der technischen Einzelheiten erübrigt sich unseres Erachtens, da der Wartburg bereits hinreichend be- kannt ist. Wir wollen uns daher auf diesem Gebiet auf das Notwendigste beschränken und besonders unsere Fahreindrücke sowie die in der Zwischen- zeit erfolgten Verbesserungen behandeln. Beginnen wir gleich mit den Fahreindrücken. Selbst- verständlich geht man an jedes Fahrzeug mit einer bestimmten Vorstellung, man kann auch sagen Vor- eingenommenheit, heran. Der Wartburg rechnet im internationalen Maßstab zu den Kleinwagen, also erwartet man auch Eigenschaften eines Kleinwa- gen. Schon beim Hineinsetzen erlebt man die erste Überraschung: eine gute Sitzposition, bequeme Lage des Lenkrades , ein gediegen ausgestattetes |
Armaturenbrett, dessen Instrumente (Tachometer, Kühlwasserthermometer, Kraftstoffmesser und Kontrolleuchten für Ladekontrolle, Blinker und Fernlicht) genau im Blickfeld liegen und dessen Drucktasten-Schalter gut erreichbar sind, ausgezeichnete Sichtverhältnisse durch die große ungeteilte Panoramascheibe, und vor allem, man hat Platz und fühlt sich in keiner Weise beengt oder eingeklemmt. Besonders im Vergleich mit dem Vorläufer des Wartburg, dem F 9; besteht hier ein auffallender Unterschied. Im Wartburg gibt es dank des großen Rückfensters auch keine dunklen Ecken. Gestartet wird der Motor nicht mehr mit einem Anlasserdruckknopf der bei früheren Ausführungen rechts neben der Lenksäule unter dem Armaturen- brett lag, sondern mit dem Zündschlüssel durch eine leichte Rechtsdrehung nach Einschalten der Zün- dung. Der Zündschlüssel ist daher als Flügelhebel ausgebildet und im Dunkeln auch nicht mehr mit dem Türschlüssel zu verwechseln. Die Handbremse liegt bequem zugänglich zwischen den Sitzen, so daß der gesamte Beinraum frei- bleibt. |
Bild links gewährt einen Blick unter die Motorhaube. Als Neuheit fällt sofort auf, daß die Lüfterwelle keine Schmierbüchsen mehr hat. Durch eine dauerhafte Fettfüllung ist die regelmäßige Schmierung nicht mehr erforderlich. Die elektrischen Einrichtungen wie Zündspulen, Sicherungen, Blinkgeber usw. befinden sich sehr gut zugänglich auf der rechten Spritzwand. Beim Aufklappen der Haube schaltet sich, wie auch beim Kofferraum, selbsttätig die Beleuchtung ein. Die Geräumigkeit des Kofferraumes (Bild rechts) ist von außen kaum zu vermuten. Man glaubt gar nicht, was sich da alles unterbringen läßt. Der Hebel zum Öffnen der Kofferklappe befindet sich übrigens nicht mehr unten am Rücksitz, sondern in der Ecke der Ablage am Rückblickfenster. Die kombinierten Heckleuchten des |
Wartburg enthalten Bremslicht (orange), Rücklicht und Blinker (rot) sowie Rückfahrscheinwerfer im weißen Mittelteil, die bei eingeschalteter Beleuchtung nur durch einlegen des Rückwärtsganges geschaltet werden können. Das Lenkrad (Bild oben) liegt nicht zu dicht am Körper und ausgezeichnet im Griff. Seine günstige Lage trägt wesentlich zum ermüdungsfreien Fahren bei. Durch den Hupring (das ist unser rein persönlicher Eindruck)wirkt es allerdings etwas überladen. Infolge des kleinen Lenkraddurchmessers stört der Hupring außerdem, wenn man beim Fahren die Hände auf die Speichen legen will. Der Hupring nur in der unteren Hälfte oder das Eisenacher Wappen in der Mitte als Knopf ausgebildet würde uns noch besser gefallen. |
Einen Kardantunnel gibt es ja beim Wartburg infolge des Front- antriebs auch nicht. Beim Fahren vergißt man noch mehr, daß man es mit einem Kleinwagen zu tun hat. Der Dreizylinder-Zweitakt- Motor zieht rasant an und besitzt ein erstaunliches Stehvermögen, auch unter ungünstigen Tempera- turbedingungen. Für kühlere Tage bzw. zum Anwärmen des Motors hat der Wartburg eine Kühlerjalou- sie, die durch einen Handgriff un- ter dem Armaturenbrett, links ne- ben der Lenksäule, reguliert wer- den kann. Wir fuhren den Testwa- gen überwiegend bei Außentem- peraturen um 30 Grad C und da- rüber. Der Wartburg vertrug auch bei dieser Hitze Dauergeschwin- digkeiten von 100 bis 110 km/h, ohne auch nur ein einziges Mal zu spucken. Ein gelegentlicher An- stieg der Kühlwassertemperatur über 100 °C ist für den Zwei- takt-Motor ohnehin nicht so pro- blematisch, ganz abgesehen da- von, daß der Kühler mit einem Überdruckventil ausgerüstet ist, so daß nichts schiefgehen kann. Jedenfalls war unser Testwagen auch mit stundenlanger Autobahn- jagerei nicht klein zu kriegen. Auf dem Berliner Autobahnring fuhren wir die Strecke Königs Wuster- hausen-Potsdam oftmals mit stän- dig um 115 km/h, ohne daß der Wartburg uns das übelnahm. Seine gestoppte Höchstge- schwindigkeit lag bei 122 km/h. (Zur Nachahmung nicht zu em- pfehlen, für Testzwecke dürfen wir gelegentlich die zulässige Höchst- geschwindigkeit überschreiten.) Auf der Landstraße hängen die hohen Reisedurchschnitte jedoch nicht nur vom Motor und seinem Stehvermögen ab, sondern vor allem auch von der Straßenlage des Wagens. Hier muß man den Eisenachern bescheinigen, daß ihnen die Abstimmung aller die Straßenlage beeinflussenden Faktoren wie Federung, Schwer- punkt, Kurvenstabilität und nicht zuletzt der Frontantrieb, hervor- ragend gelungen ist. Man kann dem Wartburg dadurch auch in der Kurve eine ganze Menge zu- muten, ohne daß ein Gefühl für Unsicherheit aufkommt. Man muß nur Gas geben und das Lenkrad festhalten. Die Kurvenneigung des Wagens liegt dabei durchaus noch in Grenzen, die nicht als un- angenehm oder gar gefährlich empfunden werden. Das resultiert nicht zuletzt aus der etwas sport- lich ausgelegten Federung, mit der ein guter Kompromiß zwi- schen bequem weich und spor- tlich hart gefunden wurde. Die Fe- derung wurde übrigens in letzter Zeit weiter verbessert. So befin- den sich zum Beispiel an den En- den jeder Federlage eingesetzte PoIyamid-Gleitstöpsel. So erfreu- lich diese Verbesserungen sind, so setzt man andererseits noch immer die Federn allen Unbilden der Witterung aus. Ein paar Man- schetten wie beim EMW 340, könnten im Hinblick auf Minde- rung des Verschleißes und Erhal- tung des Materials Wunder wir- ken. Auch die Superballonreifen 5,90-15 haben an der guten Straßenlage und an der hohen Rutschfestigkeit des Wagens ei- nen nicht geringen Anteil. Alle die- se Eigenschaften tragen dazu bei, daß der Wartburg auf kurven- reicher Landstraße auch man- chem stärkeren Wagen über- legen ist. Der Testwagen gab in der Kurve Reifenquitschgeräu- sche von sich. Spur, Sturz und Nachlauf haben wir nicht kon- trolliert. Im Handbuch steht jedoch: Nachlauf = 0°. Weshalb eigentlich? Das Pfeifen und Quietschen |
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in der Kurve ist doch mit wenig Nachlauf sofort zu beseitigen - vorausgesetzt natürlich, die Werte von Spur und Sturz stimmen - und das Fahrzeug lenkt sich noch besser in und aus der Kurve. Den Erfolg einer derartigen Änderung konnten wir an einem anderen Wartburg verspüren. Schalten ließ sich der Wagen gut. Das Gestänge ging leicht, ohne zu klappern. Allerdings muß man beim Schalten die Pausen von 1,5 bis 2 Sekunden zwischen den Gängen exakt einhalten, sonst kratzt es. Auf diese Weise erreichten wir eine Beschleunigungszeit von 0 bis 80 km/h in 30 Sekunden bzw. 27 Sekunden ohne den 4. Gang. Selbstverständlich kann der Wartburg erheblich mehr, wie zum Beispiel 0 - 60 km/h = 11 sec 0 - 80 km/h = 17,5 sec 0 - 100 km/h = 35 sec 0 - 110 km/h = 52 sec. Aber dabei muß man sehr schnell durchschalten, und es kratzt eben, zum Teil ganz erheblich. Das Kratzen ist nun leider nicht nur ein akustischer Schönheitsfehler, sondern ein Zeichen erhöhten Verschleißes an den Klauenkupplungen und deshalb tunlichst zu vermeiden. Hier muß Abhilfe geschaffen werden, und zwar mit einem synchronisierten Getriebe, bei dem der Gleichlauf der zusammen zu schaltenden Zahnräder bzw. Wellen durch zusätzliche Kupplungselemente hergestellt wird, die ein vorzeitiges mit Geräusch verbundenes Einrücken der Klauen verhindern. Auf diesem Gebiet ist in Eisenach schon einiges im Gange, so daß in absehbarer Zeit mit einem sperrsynchronisierten Getriebe zu rechnen ist. Noch einige Zahlen zum Motor. Bei 100 km/h dreht er im 4. Gang knapp 4000 U/min, das entspricht einer mittleren Kolbengeschwindigkeit von 10,4 m/s, also durchaus noch in zivilen Bereichen. Bei 120 km/h sind es rund 4750 U/min und 12,3 m/s Kolbengeschwin- digkeit Wir haben ein übriges getan und den Motor im 3. Gang bis weit über 90 km/h hinaufgejagt. Unser Drehzahlmesser zeigte dabei 5300 U/min. Im 4 Gang entspräche diese Drehzahl einer Geschwindigkeit von 136 km/h. Man sieht daran, daß der Motor ein gehöriges Maß an Überdrehfestigkeit mitbringt. Mit der Fußbremse erreichten wir Verzögerungswerte von knapp 7 m/s2, nach mehrmaligen scharfen Stoppbremsungen und entsprechender Aufheizung der Trommeln und Beläge wurden diese Werte nicht mehr ganz erreicht. Die Fußbremse arbeitet hydraulisch. Das Nachfüllen von Bremsflüssigkeit ohne Spezialtrichter ist jedoch ein Problem. Auch eine Kontrolle des Flüssigkeitsspiegels ist ohne schmutzige Hände und Ärmel kaum möglich. Eine Änderung des Hauptbremszylinders und die Anordnung des Flüssigkeitsbehälters, wenn möglich durchsichtig, oben an der Spritzwand wären angebracht. Das für die Bremsölkontrolle Gesagte gilt im gleichen Maße für den Ölmeßstab am Getriebe. Läßt sich denn dieser Stab nicht mit Draht oder Blech nach oben verlängern, damit man bei der Kontrolle saubere Hände behält? Der Ventilatorriemen unseres Testwagens riß bereits nach rund 3000 km, unangenehm, vor allem, wenn es sonnabends nachmittags passiert. Solange das Automobilwerk Eisenach nicht energisch auf seine Zulieferanten einwirkt, eine entsprechende Qualität zu liefern, ist ein Ersatzriemen im Kofferraum dringend zu empfehlen. Wie wir schon schrieben, fuhren wir den Wartburg vorwiegend bei Außentemperaturen um und über 30 °C. Im Fahrgastraum |
herrschten dann In der Regel 35° und mehr trotz abgestellter Heizung, jedenfalls kaum auszuhalten. Vor allem unten im Beinraum heizt links der zweite Auspuff ganz schön durch. Das Öffnen der Fenster vorn bewirkt ein Pfeifgeräusch, und hinten zieht es dabei immer, ganz gleich, ob die Schwenkfenster geöffnet sind oder nicht. Man sollte erwägen, ob nicht auch beim Wartburg vordere Schwenkfenster, die der F 9 schon hatte, am Platze wären, zumal sich diese im internationalen Automobilbau immer mehr durchsetzen. Man könnte dann ohne größere Geräusche zugfrei entlüften. Die guten Sichtverhältnisse können dabei durchaus erhalten bleiben, sobald das Dach vorn durch schmale Streben getragen wird und diese. etwas zurückgesetzt werden. Eine zusätzliche Belüftung des Beinraumes durch eine regulierbare Frischluftzuführung wäre natürlich erfreulich. Bei der Türabdichtung bliebe zu wünschen, daß man die verschiedenen Gummiprofile recht bald durch vernünftige Moosgummistreifen ersetzt. Dadurch fiele einmal das Türknallen weg und zum anderen wäre der Wagen staubdicht. Der Kofferraum ist in seiner Größe vorbildlich. Das Werkzeug ist neuerdings mit Klemmen befestigt, so daß nichts mehr klappert. Vielleicht ließe sich ähnlich wie beim Sachsenring das Reserverad aufstellen oder anders zugänglich machen, so daß man bei einer Panne nicht den ganzen Kofferraum auszuräumen braucht. Die Radkappen klapperten, das läßt sich aber unseres Erachtens mit geringen Mitteln beseitigen. Daß gegenläufige Scheibenwischer sehr schön aussehen, wenn sie stillstehen, im Betrieb aber ein Schmutzdreieck in der Mitte der Scheibe stehenlassen und oftmals sehr störanfällig sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Die Ausstattung des Wartburg mit parallelwischenden Armen ist daher bald zu erwarten. Es wäre auch an der Zeit, daß sich die einschlägigen Firmen um die Entwicklung einer möglichst auch nachträglich einzubauenden Scheibenwaschanlage bemühen. Die Inneneinrichtung könnte evtl. noch durch Armlehnen vorn und hinten und eine verbesserte Innenleuchte ergänzt werden. Ein serienmäßiger Außenspiegel wäre ebenfalls von Vorteil. Bliebe Mit diesem Griff waren wir nicht ganz zufrieden, denn die ursprünglich Beabsichtigte Öffnungsmethode (im Handbuch beschrieben) mit Daumendruck auf den rechten Teil der Klinke, damit sie sich abhebt war infolge zu strammer Federn nicht möglich. In der Regel wird sie aber auch aus Unkenntnis nicht angewendet. Man sollte Griffmulden oder einen anderen Türgriff erwägen. |
Nur noch die wünschenswerte Veränderung der Türgriffe oder die Anbringung von Griffmulden, um das Zerkratzen des Lackes rings um die Klinken mit den Fingernägeln zu vermeiden. Bei der an und für sich hervorragenden Wendigkeit des Wagens und seiner guten Straßenlage erwartet man jedoch einen etwas günstigeren Wendekreis. Eine Verringerung der bisherigen 11 m würde allerdings eine Verlegung des Vorschalldämpfers mit sich bringen, und das ist nicht ganz einfach. Vielleicht gelingt es dem Eisenacher Automobilwerk, auch hier eine befriedigende Lösung zu finden. Letzten Endes sind das mehr oder weniger Kleinigkeiten, die an dem guten Gesamteindruck, den der Wagen hinterläßt, nichts ändern können. Der Wartburg ist nicht nur elegant in der Linienführung und für seine Klasse ausgezeichnet im Fahrkomfort, sondern ermöglicht auch beachtliche Fahrleistungen und Dauerleistungen, die |
ihn befähigen, unsere Volkseigene Automobilindustrie auch über die Grenzen der DDR hinaus würdig zu vertreten. E-p/scho Ein Hinweis erscheint uns noch ganz angebracht. Man kann dem Wartburg nichts Schädlicheres antun, als ihn in den großen Gängen zu langsam zu fahren. Der Motor will drehen, und schaltfaules Quälen in niedrigen Drehzahlen quittiert er mit verrußten Kerzen, unregelmäßigem Leerlauf und erhöhtem Kraftstoffverbrauch. Außerdem erreicht ein ständig in niedrigen Drehzahlen gefahrener Motor vor allem im Kurzstreckenbetrieb nur selten seine richtige Betriebswärme, und das führt zu einem erheblich höheren Verschleiß. Im günstigsten Falle erreicht ein so gefahrener Wagen nicht die angegebene Höchstleistung. Im ungünstigsten Falle bildet sich verstärkt Ölkohle, die Kolbenringe kleben fest und infolge der ungenügenden Wärmeableitung vom Kolben an die Zylinderwand kommt es zu Kolbenklemmern, wobei auch ein Pleuel abreißen kann. (Siehe auch "Das Märchen vom Storch",DDStr. Nr. 5/1957.) |