Auf der Leipziger Jubiläumsmesse 1965 sollte ein neuer Wartburg stehen. Die Eisenacher Entwicklung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit, und so hatte das Karosseriewerk Dresden die undank- bare Aufgabe, kurzfristig die Wartburg-Konturen für ein neues Coupé zu modifizieren. Dort entstand dann ein modernes Kabinendach; wegen der Ab- nehmbarkeit Hardtop genannt. Dank seiner glattflächigen Form konnten wesentlich größere Front-, Heck- und Türscheiben verwirk- licht werden. Die Sichtverhältnisse sind damit besser als in der Li- mousine. Das Kabinendach ist von zwei Personen leicht und schnell montierbar. Form und Funktion dieser Karosseriebaugruppe können also gelobt werden. Paßt das Hardtop aber zum übrigen Aufbau? Mit den Wartburg-Rundungen ließ es sich offenbar überhaupt nicht vereinbaren; deshalb zog man die Kofferklappe (Stahlblech) länger, die Motorhaube (Duroplast) flacher und das Kühlergrill (glasfaser- verstärktes Polyesterharz) höher. Die übrigen Karosserieteile mußten von der Wartburg-Limousine unverändert übernommen werden. Diese Mischung von geschwungen und flach, kantig und rund verträgt sich aber nicht. Am Fahrzeugbug wurde improvisiert. Die Aussparung für das Li- mousinen-Grill ist breiter als das aufgesetzte Bugteil. Kleine Gitter müssen die freibleibenden Querschnitte verdecken. Die neue Front- partie dürfte dazu noch den Luftwiderstandsbeiwert erhöht haben. Damit ist das Coupé langsamer als der Limousinen-Grundtyp, wofür es nirgends sonst ein Beispiel gibt. Seit Oktober hat nun auch dieser Wartburg-Typ das neue Fahrwerk mit Schraubenfedern. Die kleinen 13"-Räder in den zu großen vor- deren Radausschnitten verbessern das Äußere natürlich auch nicht. Das lange Coupé mit seiner hohen Gürtellinie sieht insgesamt den Tatsachen fatal ähnlich: gewollt und nicht gekonnt. Technisch nicht einwandfrei ist, daß die breitere Coupé-Motorhaube hochglanz- lackierte Flächen der Kotflügelteile überdeckt. Auch sparte man die Stützkonstruktion an der verlängerten Kofferklappe ein. Damit ist sie so labil, daß sie nur schwer schließt. Mit der Abnahme des Hardtop kann man die Widersprüche der Konturen lindern. Für die Fahrt im offenen Wagen bringt das Wart- burg-Coupé erfreuliche Voraussetzungen mit. Die vorderen Einzel- sitze sind schaumgummigepolstert und mit Kunstleder bespannt. Sie bieten guten Halt für den Rücken und den Oberschenkeln eine Auflage. Für die Notsitze im Fond und die Seitenverkleidung wählte man ebenfalls eine Kunstlederbespannung, so daß der Innenraum witterungsfest ist. Die Dreieckfenster an den Türen sind feststehend; nur der seitliche, rahmenlose Teil des Türfensters ist versenkbar. Unter dem Hardtop befindet sich in der Karosserie eine Aussparung für das Faltverdeck, das leider an unserem Wagen nicht zur Verfügung stand. Beim Fahren mit offenem Wagen wird die Ablage des Faltdaches mit einer auf- geknöpften Persenning verdeckt. Die im Hardtop befindlichen hin- teren Seitenscheiben sind ausstellbar. Die Sitzhöhe unter dem Dach empfand unser rd. 1,80 m großer Fahrer, wie schon im bisherigen Coupé, als zu knapp. Die Gestaltung des Instrumentenbretts ist nicht überzeugend. Die Gummiauflagen am oberen und unteren Teil wirken etwas primitiv, sosehr sie auch im Sinne der inneren Sicherheit sind. Zwischen dem |
Wartburg - 1000 - Coupé -HT und das neue Fahrwerk Bild 1 Frontansicht des neuen Wartburg-Coupés mit Hardtop verschließbaren Handschuhkastendeckel aus glasfaserverstärktem Polyesterharz und dem Stahlblech-Mittelteil des Instrumentenbretts bestehen grobe Unterschiede im Lackglanz und in der Tönung, wie überhaupt einiges in der Verarbeitung zu wünschen übrigläßt. Daß der Wagen mit nicht angeschlossenen Heizungsbowdenzügen, losen Drähten und defekten Glühlampen am Instrumentenbrett, schwer- gängigem Kurbelmechanismus in den klappernden Türen, ober- flächlich angezogenem Tachometer, dessen Pese dadurch rappelte, und mit quietschenden Pedalen ausgeliefert wurde, ist auch am Quartalsende unverzeihlich. Auch mit einem solchen technischen Anachronismus, wie der im unbelasteten Zustand lose im Scharnier tanzenden Beifahrerlehne, kann man sich nicht zufriedengeben, erst recht nicht bei einem so teuren Auto. Immerhin hat der Preis die Höhe von 20000,- MDN erreicht. Als Antrieb hatte sich mancher einen leistungsgesteigerten Motor vorgestellt. Der Wartburg-Hardtop kann aber bestenfalls als Coupé, das nicht unbedingt schneller sein muß, angesprochen werden. Für einen Sportwagen dieser Hubraumklasse wäre er viel zu lang, die 2 3 |
4 Überhänge vor der Vorderachse und nach der Hinterachse viel zu groß. So entschied man sich für den Serienmotor. Seine Leistung von 45 PS könnte man auch für diesen relativ schweren Wagen noch ak- zeptieren, wenn sie erreicht würde. Der Verlust an Höchstgeschwin- digkeit ist zwar wie geschildert zu einem Teil auf den größeren cw- Wert der Coupé-Karosserie zurückzuführen, was Auslaufversuche bei AWE bestätigten, die Verschlechterung der Beschleunigungszeit von 0 bis 80 km/h um 2 bis 3 s geht aber vor allem zu Lasten des Motors. Die durch die neue Auspuffanlage entstandenen Probleme scheinen noch nicht völlig gelöst, was man u. a. auch am hohen Verbrauch er- kennen kann. Obwohl wir am Wartburg-Hardtop im Bereich von 40 bis 80 km/h einen geringeren Streckenverbrauch (siehe Bild 8) mes- sen konnten als vom Werk im Heft 10 angegeben, kamen wir im Durch- schnitt nicht unter 10,5 l/100 km (Meßwerte siehe Tafel). Das liegt einerseits erheblich über dem, was Konkurrenzfahrzeuge mit Vier- taktmotoren bieten. Dem Skoda 1000MB bescheinigten wir im Heft 10/1964 einen Verbrauch von rd. 8,3 l/100 km. Das übertrifft anderer- seits sogar die vom Wartburg 1000 bisher erreichten Werte um 1 bis 2 l/100 km. Zwar rauscht die Coupé-Karosserie mehr als der Limousinen-Aufbau; die Geräuschminderungsmaßnahmen sind aber auch hier spürbar. Dem Dreizylinder-Zweitaktmotor hat man seine typischen Auspuff- töne noch nicht abgewöhnt. Auspuff und Motor sind aber in so wei- chen Gummielementen aufgehängt, daß der Schall weitgehend vom Aufbau ferngehalten wird und der Motor leiser und entfernter klingt. Der Innengeräuschpegel ist damit besser als im Skoda 1000MB, des- sen Viertaktmotor aber trotzdem vielen angenehmer klingt, auch wenn er lauter ist. Leider verdarb das schlechtsitzende Hardtop den bei hohen Ge- schwindigkeiten besonders deutlichen Effekt der Geräuschsenkung. In den Holmen der Windschutzscheibe und an den Türen pfiff der Fahrtwind durch die Ritzen. Beurteilung des Schraubenfeder-Fahrwerks "Der Kurven-Wartburg ist es aber nicht mehr!" urteilt man in Kraft- fahrerkreisen über die neue Radführung und Federung. Bei uns führte sich das neue Fahrwerk noch dazu denkbar schlecht ein. Für eine Beurteilung der Fahreigenschaften sollten mit der im Heft 9/1965 vorgestellten Limousine Kreisfahrversuche gefahren werden, die nicht stattfinden konnten, weil schon beim Einfahren das kurven- äußere Hinterrad plötzlich luftleer wurde (Bild 6). Fazit der mit aller Gründlichkeit durchgeführten Untersuchungen: Ein Stein muß genügt haben, den stark zur Seite gewalkten schlauchlosen Reifen vom Felgenhorn zu drücken, so daß er luftleer wurde, der Felgenrand aufsetzte und zum Kippen führte. Nach diesen Erfahrungen müssen wir fordern, daß es für den Reifen 6.00-13 wahlweise auch Schläuche gibt, die sich jeder montieren lassen kann, der besonders sportlich f ahren will. Die größere Wärmeentwicklung des Reifens mit Schlauch muß man dann eben mit in Kauf nehmen. - Außerdem scheint die Reifenmontage einer strengeren Aufsicht wert. Sie erfolgt auch für die vom VEB Karosseriewerk Dresden bezogenen Fahrwerke im Eisenacher Werk und war an dem uns zur Verfügung gestellten |
5 Wartburg-Coupé unsauber ausgeführt worden. Der linke Vorder- reifen verlor nach der 200 km langen Überführungsfahrt die Luft, weil Sand zwischen den Dichtflächen lag. Es läßt sich denken, daß wir das Wartburg-Coupé, das das gleiche neue Fahrwerk hatte, nach dem Unfall der Limousine mit Spannung erwarteten und die Fahreigenschaften womöglich noch kritischer unter die Lupe nahmen. Aus Zeitgründen konnten wir die geplanten Kreisfahrtests auf einer betonierten Plattform nicht durchführen und mußten uns auf die Fahrversuche verschiedenster Straßenkurven beschränken. Das Eigenlenkverhalten des Wartburg mit dem neuen Fahrwerk ist bei normalen Kurvengeschwindigkeiten weitgehend neutral. Erst bei höheren Geschwindigkeiten nimmt die Übersteuerungsneigung zu. Bild 2 Profil des Wagens mit aufgesetztem Hardtop Bild 3 Nach dem Abnehmen des Hardtop wirkt die Linienführung akzeptabel Bild 4 Blick in den Motorraum des Wartburg-Coupé. Man erkennt die im Zylinderkopf befindliche Kühlmittelpumpe, den in einem Windlauf arbeitenden Ventilator und den links neben der Batterie sitzenden Ausgleichsbehälter für das hermetisch abgeschlossene Kühlsystem. Links und rechts ragen die Aufnahmeteller der Schraubenfedern mit den Stoßdämpferaufnehmern in den Motorraum Bild 5 Durch das Umklappen der Fondsitzlehne entsteht eine über 1.80 m lange durchgehende Ablagefläche vom Kofferraum bis zu den vorderen Einzelsitzen Bild 6 Bei scharfer Kurvenfahrt mit einer Wartburg-Limousine drückte ein Stein den schlauchlosen Reifen 6.00-13 vom Felgenhorn, so daß er luftleer wurde und einen Überschlag herbeiführte |
Auf plötzliches Gaswegnehmen in der Kurve reagiert das Fahrzeug normalerweise nicht abrupt. Die Belastung des kurvenäußeren Hin- terrades nimmt dann zwar merkbar zu, das Seitenführungsvermögen des Reifens ist aber so gut, daß der Lenkeinschlag nur wenig zurück- genommen werden muß. In extrem schnell befahrenen Kurven - man vermeidet das, schon weil dann die Kurvenneigung das Sicherheitsgefühl beeinträchtigt - kann man die Fahrstabilität durch den bekannten Frontantriebs- effekt mit ziehenden Vorderrädern erstaunlich lange aufrecht er- halten. Auch bei nasser Fahrbahn bleibt das neutrale Lenkverhalten weit- gehend bestehen; die Seitenhaftung der Reifen ist bei Nässe aller- dings wesentlich geringer. Offenbar setzen sich die kleinen Profil- einschnitte der Niederquerschnittsreifen leicht zu und büßen die Fähigkeit der Seitenführung ein. Das Fahrzeug rutscht dann bei zu hoher Kurvengeschwindigkeit über alle vier Räder nach außen, ohne gefährliche Schlenker. Über- oder Untersteuern wird hierbei lediglich von äußeren Faktoren, wie Straßenbahnschienen, Pflasterwechsel usw., herbeigeführt. Auch wenn wir das Seitenführungsvermögen der Reifen bei glatter Fahrbahn für verbesserungswürdig halten, so kann man dem neuen Fahrwerk insgesamt ausgezeichnete Eigenschaften bescheinigen. Es ist modern konzipiert und weitgehend unproblematisch, fahrsicherer jedenfalls als das vieler Heckantrieb-PKW, wie z. B. des Skoda 1000 MB, dessen zeitweilig bei uns als führend angesehener Fede- rungskomfort vom neuen Wartburg-Fahrwerk ebenfalls übertroffen wird. Die eingangs zitierte Kraftfahrer-Meinung ist sicher nur ein erster Eindruck. Wenn man vielleicht auch wegen der größeren Aufbau- neigung kurze Kurvenfolgen nicht so schnell durchfährt, die mög- lichen höheren Geschwindigkeiten bei unebener Fahrbahn auch in Kurven machen das wett. Die Kurvenneigung hängt außer mit der im Heft 9 beschriebenen Veränderung des Momentanzentrums durch die neue Radaufhängung und die weichere Federung wohl auch damit zusammen, daß der Aufbau unter statischer Belastung sogar etwas höher gekommen ist als bisher. Jedenfalls hat die Unterkante der Türen jetzt gerade die Höhe, daß sie beim Öffnen am Gehsteig nicht mehr so schnell aufsitzt. Wenn es gelingt, die für später geplante neue Wartburg-Karosserie leichter zu halten als die bisherige, dann könnte man die Kurven- neigung noch verringern. Bremse und Kupplung benötigen noch immer relativ hohe Betäti- gungskräfte. Gesunken ist der Kraftaufwand an der Lenkung. So leichtgängig wie am Skoda 1000 MB ist sie allerdings nicht; auch die am Trabant geht bei unbeschleunigter Fahrt leichter, und die Fahr- bahnstöße sind an der neuen Wartburg-Lenkung auch noch nicht alle gebannt. Dafür hat sie einen Druckpunkt, und das Reißen der an- getriebenen Vorderräder in der Lenkung gehört der Vergangenheit an. Ganz ausgezeichnet ist der enorme Einschlagwinkel, den die homokinetischen Gelenke der Antriebswelle zulassen. Der Wende- kreisdurchmesser von 10,2 m ermöglicht eine sehr gute Manövrier- barkeit. Wir begrüßen das neue Fahrwerk auch deshalb, weil die Konstruktion kaum einen erhöhten fertigungstechnischen Aufwand darstellt. Um so unverständlicher ist die Preisheraufsetzung, die der Wartburg damit im Handel erfahren hat. Die 700,- MDN, die das Baumuster 312 gegenüber dem 311 mehr kostet, finden keine technische Be- gründung. |
Bild 7 Wartburg-Coupé mit dem neuen Fahrwerk bei schneller Kurvenfahrt. Das kurveninnere Hinterrad beginnt abzuheben (Fotos: Romü) Eine Werkstatt-Geschichte Wir hatten das Wartburg-Coupé beladen. Einschließlich der mit- fahrenden Personen fehlten 20 kg an der zulässigen Nutzmasse. Nach wenigen Kilometern mußte angehalten werden; die hinteren Bremsen qualmten. - Bei der ersten Durchsicht war die Handbremse leicht- fertig verstellt worden (sie muß so eingestellt sein, daß sie in der 4. Raste zieht!), so daß die Bremsbacken beim Durchfedern zum An- liegen kamen. Die Werkstatt Kraftfahrzeug-Instandsetzungsbetrieb Berlin, Hannoversche Straße, hatte sich für das Baumuster 312 als kompetent ausgegeben und kurzfristig den Wagen durchgesehen. - Wir würden das aber eher als eine ausgedehnte Probefahrt ansehen. Als wir das Fahrzeug abholen wollten, fuhren gerade zwei Monteure aus dem Werktor. Danach fuhr der Kontrollmeister und nahm einen Interessierten mit. Vorher muß es aber schon Probefahrten zu viert gegeben haben; der Velourteppich im Fond war von schmierigen Monteurschuhen gründlich verschmutzt. - Warum wir das Schreiben? Weil sich viele Kunden über derartige Vorkommnisse nicht be- schweren, um ihre Werkstatt nicht zu verlieren. Schlußbetrachtung Es hat sich erwiesen, daß ein im Handaufliegeverfahren aus glasfaser- verstärktem Polyesterharz hergestelltes Hardtop bei uns noch sehr teuer ist. Die Gestehungspreise dieses Fahrzeugs stiegen aus solchen Gründen unverhältnismäßig hoch. Wir schließen uns deshalb der sogar aus der VVB Automobilbau stammenden Meinung an, daß man die Karosseriebaukapazität in Dresden zukünftig besser mit dem Bau einer zweitürigen Limousine nutzen sollte. - Dem neuen Coupé ver- zeiht man seine äußerliche Unausgeglichenheit wohl nur, wenn man es unbedingt auf das Fahren im offenen Wagen abgesehen hat. Das komfortable Fahrwerk ist das Beste an diesem neuen Wartburg-Typ. Trotz allem gibt es sicher bei unserem großen Pkw-Bedarf genügend Käufer für dieses teure Experiment. KfA 8519 knut
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