Als Ende 1955 - also vor rund zehn Jahren - die ersten Exemplare eines neuentwickelten Personenkraftwagens von den Fließbändern des Automobilwerks am Westhang des Thüringer Waldes unterhalb der Wartburg rollten, dessen Name in der nunmehr fast siebzigjäh- rigen Tradition des Eisenacher Fahrzeugbaus zum drittenmal ein Er- zeugnis zu einem Begriff werden ließ, da gab es zahlreiche Diskus- sionen um diese Neuentwicklung. Man hatte hier in Eisenach in richtiger Erkenntnis und Erfassung der Entwicklungstendenzen im internationalen Automobilbau mit diesem neuen Wagen ganz konsequent einen Weg eingeschlagen und äußerst zielstrebig verfolgt, der - das kann man nach einem Jahr- zehnt, wo dieses Thema ausdiskutiert sein dürfte, sagen - unbedingt richtig war. Den überzeugenden Beweis und die Bestätigung dieser richtigen Fahrzeugentwicklung liefert die derzeitige Situation in der unteren Mittelklasse der Personenkraftwagen in der Hubraumgrößenordnung um einen Liter. Hier bewegen sich gerade die jüngsten Neuentwick- lungen der vergleichbaren Konkurrenzfabrikate, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen - mit mehr oder weniger Detailabwei- chungen -, alle innerhalb der Wartburg-Konzeption: Geräumige vier- bis fünfsitzige Ganzstahl-Karosserie mit vier Türen, 40 bis 45 PS Motorleistung, maximales Drehmoment 8,5 bis 9,5 kpm, kompakter Front- beziehungsweise Hecktriebsatz, gutes Beschleuni- gungsvermögen und Spitzengeschwindigkeit von 120 bis 130 km/h. Dabei wurden jedoch während der relativ langen Produktionsperiode des alten Baumusters der laufenden Weiterentwicklung der einzelnen Teile und Aggregate, die zwangsläufig immer unter dem Gesichts- punkt der Erhaltung der Austauschbarkeit erfolgen mußte, bezüglich der fortschrittlichen Automobilentwicklung und des modernsten internationalen Standes Grenzen gesetzt. Bei der Konzeption des neuen Wartburg 1000 mit der Typenbezeich- nung 312/1 wurde dieser nicht mehr ausbaufähige enge Rahmen gesprengt und in der ersten Stufe der Neuentwicklung bewußt die generelle Verbesserung der Fahreigenschaften und damit die Erhö- hung des Fahrkomforts sowie die weitgehende Wartungsfreiheit einer Formänderung vorgezogen. Zugunsten der Verwirklichung moderner Konstruktionstendenzen mußte hier auf die Austauschbarkeit des |
Fahrwerks einschließlich seiner Einzelaggregate und vieler Teile ver- zichtet werden. Die Karosserie mit der elektrischen Anlage wurde übernommen und im Bereich der Bodenanlage besonders bei den Befestigungspunkten leicht verändert. Als äußerliches Kennzeichen erfolgte der Einbau eines neuen kunststoffummantelten Sicherheitslenkrads in Schüssel- form mit schaumstoffgepolsterter Nabe, das vor allem in Verbindung mit der verkürzten Lenksäule eine Erhöhung der inneren Sicherheit darstellt. Des weiteren erfolgte der Einbau neuer gepolsterter mit hochfre- quenzgeschweißter PVC-Folie überzogener Türinnenverkleidungen. Als Ersatz für die dabei entfallenen Türtaschen brachte man vorn rechts unterhalb der Armaturentafel eine Netzablage an. Dabei passen die bereits ab Januar dieses Jahres produzierten Ka- rosserien sowohl auf das alte als auch auf das neue Fahrwerk, weil diese Änderungen vorgezogen wurden. Dadurch konnten jedoch die Eisenacher Automobilbauer bei diesem beliebten Fahrzeug der un- teren Mittelklasse hinsichtlich moderner Konstruktionsdetails und der technischen Parameter die Forderungen des modernen Verkehrs verwirklichen. Im folgenden Näheres über die vorgenommenen Verbesserungen: MOTOR Der Motor selbst, der mit seiner Leistung von 45 PS und dem maxi- malen Drehmoment von 9,5 kpm noch heute eine Spitzenposition in der 1000-ccm-Hubraumklasse einnimmt, wurde beibehalten. Wesent- lichste Änderung ist hier der Zylinderkopf mit eingebauter Kühlmittel- pumpe, die direkt von der Lüfterwelle angetrieben wird. Das ergab einen verringerten 3-Punkt-Keilriementrieb. Dabei erfolgte gleich- zeitig die Einführung des Schmalkeilriemens. Eine weitere Vereinfa- chung ergab sich durch den Einbau des Kühlmitteltemperaturreglers direkt in den Zylinderkopf. Ebenfalls überarbeitet wurde die Zündanlage - bei der man zur eingelagerten Anbau-Dreihebelunterbrecheranlage überging - und das gesamte Auspuffsystem. Die geräusch- und schwingungsisolier- te Aufhängung der nunmehr zwei Dämpfer umfassenden Auspuffan- lage konnte verbessert werden. Durch den Einbau des Hauptschalldämpfers vorn unter dem Motor quer zur Fahrtrichtung war es möglich, den Wendekreisdurchmesser |
Die Federwirkung erfolgt durch einen Gummipuffer, der gleich- zeitig als Zusatzfeder wirkt. Die Dreieckslenkerarme sind Blech- formteile (links außen). Rechter hinterer Lenkerarm der soge- nannten Schrägpendelachse. Der aus Stahlblech-Halbschalen verschweißte Lenkerarm mit dem Topf zur Aufnahme der Schraubenfeder. Innerhalb der Schraubenfeder der doppelt- wirkende Teleskop-Stoß- dämpfer. Im Vordergrund der rechte Teil des Stabilisators, der in Gummi gelagert ist |
Durch die Anordnung des Hauptschalldämpfers quer zur Fahrtrichtung konnten der Wendekreisdurchmesser auf 10,2 m verringert und die Auspuffanlage in Fahrzeugmitte nach hinten geführt werden. Der Wagen erhielt jetzt Räder mit der Reifengröße 6.00-13 für alle Typen |
nach beiden Seiten auf 10,2 m zu verringern und damit die Manövrier- fähigkeit des neuen Wartburg 1000 wesentlich zu erhöhen. Dar- über hinaus brachte diese Maßnahme - allerdings in Verbindung mit der neuen Motor-Getriebe-Aufhängung und der elastischen Auf- hängung des Nachschalldämpfers quer innerhalb der Rahmenlängs- träger unter den Fondsitzen - eine spürbare Verringerung des Ge- räuschpegels im Fahrzeuginnenraum. Alles andere wurde ebenso wie das Viergang-Wechselgetriebe mit der Sperrsynchronisierung der drei "großen" Gänge und dem sperr- barem Drehfederfreilauf vom alten Baumuster mit übernommen. Dazu gehört auch die ab Mitte 1964 eingeführte Nadellagerung des Kol- bens im kleinen Pleuelauge. Eine Detailänderung ergab sich durch Einführung einer Kolbenringabdichtung zwischen den Kurbelkam- mern. Damit Wegfall der bisherigen Labyrinthdichtringe. KÜHLUNG Neu ist auch das wartungsfreie, sogenannte geschlossene Kühl- system, das im wesentlichen aus einem luftdicht geschlossenen Küh- ler, der mit einem neben der Batterie sitzenden Ausgleichbehälter verbunden ist, besteht. Letzterer ist in der Lage, mit einem Über- und Unterdruckventil die durch den Betrieb zwangsläufig auftretenden Druck- und Volumenunterschiede des Kühlsystems ohne jeglichen Verlust von Kühlflüssigkeit auszugleichen. In Verbindung mit einem bis etwa -25 °C frostsicheren Spezialkühl- mittel ergibt sich damit eine Wartungsfreiheit von ungefähr zwei Jahren. Nach diesem Zeitraum ist eine Erneuerung dieses Kühlmittels, das in der vorgeschriebenen Zusammensetzung im Handel erhältlich sein wird, notwendig. Zur Erhöhung der Wirksamkeit des Kühlsystems und der Verringer- ung der Abhängigkeit des Kühlluftstromes vom Fahrtwind läuft nun- mehr der Plastik-Lüfter in einem Leitring, der mit einer Manschette mit der Hutze am Kühler verbunden ist, so daß der Kühlluftstrom zwangsläufig durch den Kühler gedrückt wird. RAHMEN Der im Interesse des reichhaltigen Typenprogramms und der ver- schiedensten Aufbauten beibehaltene Rahmen besteht ebenso wie sein Vorgänger aus verwindungssteifen Kastenprofilen, wobei man die Rahmenlängsträger weit nach außen zog und schon damit die Auspuffanlage annähernd in der Mitte des Wagens nach hinten füh- ren konnte. Sämtliche Aufnahmen für den Motor-Getriebe-Block, Kühler, die Lenkung, die Schraubenfedern, Gummizusatzfedern, Stoß- dämpfer und Radlenker befinden sich ebenfalls am Rahmen, so daß das montierte Fahrwerk als geschlossene Funktionseinheit in glei- cher Weise wie beim alten Baumuster von der Karosserie getrennt ist. Das stehend angeordnete Fußhebelwerk und die als Stockbremse ausgebil- |
dete Handbremse wurden beibehalten. Dabei ist das als Platten- pedal ausgebildete Gaspedal nicht am Rahmen, sondern am Karos- serieboden gelagert. VORDERACHSE - RADANTRIEBE Die Aufhängung der Vorderräder erfolgt einzeln an oberen und un- teren Dreieckslenkern aus Stahlblechpreßteilen, die in ihren Längen so abgestimmt sind, daß die Spur- und Sturzveränderungen beim Einfedern in engen Grenzen gehalten werden. Die Verbindung der Querlenker mit den Schwenklagern übernehmen Stahlkugelgelenke, die durch Gummimanschetten staub- und wasserdicht abgeschlossen sind. Die Fettfüllung dieser Gelenke ist für ein Wartungsintervall von 50000 Fahrkilometer ausgelegt. Vor der Nachschmierung hat die Demontage der Manschette und die Reinigung des Gelenkes zu er- folgen. Rahmenseitig wurden die Querlenker in radial- und axial- elastischen Gummibundbuchsen gelagert, die vollkommen wartungs- frei sind und bezüglich Mindestlebensdauer 100000 km erreichen. Überhaupt ging man bei der Entwicklung des Fahrwerks in Eisenach davon aus, einmal den Wartungsaufwand durch Verringerung der Schmierstellen und Verbesserung der jeweiligen Bauelemente stark herabzusetzen und zum anderen den Wartungszyklus generell auf 50000 km zu erhöhen. Die Radlagerung erfolgt nicht mehr wie bis- her beim alten Baumuster direkt auf dem äußeren Mitnehmer der Antriebswellen, sondern auf durch Innenprofile formschlüssig mit den Antriebswellen verbundenen Laufhülsen der Radmitnehmer. Auf diesen Radmitnehmern sitzen die für alle Räder einheitlichen Bremstrommeln, die man nach Abnehmen der Laufräder leicht ent- fernen kann. So können Wartungsarbeiten an den Radbremsen mit geringem Montageaufwand durchgeführt werden. Ebenfalls kann durch die Trennung der Radlagerung vom Antrieb die Mon- und Demontage der Radlager und Antriebswellen getrennt durchgeführt werden. Der Antrieb selbst erfolgt über homokinetische nadelgela- gerte Antriebswellen, wobei getriebeseitig Dreiarm-Gelenke mit Län- genausgleich an Stelle der bisherigen Gummigelenke zum Einsatz kamen. Infolge guter staub- und wasserdichter Kapselung durch mitlaufende Gummimanschetten an den äußeren und inneren Gelenken war es möglich, bei den Antriebswellen den Wartungszyklus auf etwa 100 000 Fahrkilometer zu erhöhen. HINTERACHSE Ebenfalls vollkommen neu ist die Konstruktion der Hinterachse, wo- bei man durch die Einzelradaufhängung und einwandfreie Trennung von Radführung und Radfederung von einer "Achse" im eigentlichen Sinne wie beim alten Baumuster nicht mehr sprechen kann. Die Füh- |
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Das neue kunststoffummantelte Schüssellenkrad (links). Blick in den Motorraum: Vor dem Lüfter die in den Zylinderkopf eingebaute Radial-Kühlmittelpumpe und der Leitring des Lüfters mit Manschette zur Kühlerhutze. Der Luftstrom wird zwangsläufig durch den Kühler gedrückt |
rung der einzeln aufgehängten Räder erfolgt durch Schrägpendel- arme deren Anlenkungswinkel gegenüber der Fahrzeuglängsachse 64° beträgt. Man bezeichnet deshalb auch diese Ausführung als "Schrägpendel- achse", obwohl diese Bezeichnung nicht exakt stimmt. Die Anlen- kung der gabelförmigen Schrägpendelarme in Schweißkonstruktion am Rahmen - bestehend aus jeweils zwei Stahlblechhalbschalen, Fe- dertopf mit Stoßdämpferbefestigung und dem geschmiedeten Achs- körper - erfolgt ebenfalls durch die gleichen wartungsfreien Gummi- bundbuchsen wie an der Vorderachse durch axiale Verspannung mit jeweils einem Bolzen. Die Federung aller Räder erfolgt durch linear gewickelte Schrauben- federn, die sich einerseits auf den Quer- beziehungsweise Schräg- lenkern und andererseits über eine geräusch- und schwingungs- dämpfende Gummizwischenlage an den Rahmen-Federträgern- be- ziehungsweise -Auslegern abstützen. Nahe der Endbegrenzung des Federwegs wirken Gummizusatzfedern, die gleichzeitig eine Federwegbegrenzung darstellen, bei größeren Belastungen progressiv. Dadurch war es möglich, im Hauptarbeits- bereich eine weiche Federkennung zu verwirklichen. Darüber befin- den sich zentral innerhalb der vier Schraubenfedern doppelt wirkende leicht auswechselbare Teleskopstoßdämpfer, die sich zwar in ihren äußeren Abmessungen gleichen, aber in ihrer Einstellung vom und hinten unterschiedlich sind. Es erfolgte deshalb eine farbliche Kennzeichnung und darüber hin- aus noch eine Einprägung der Dämpfkraftwerte. Durch die sorgfäl- tige Abstimmung der Stoßdämpfer und durch die Einzelradaufhän- gung in Verbindung mit den Schraubenfedern (Gesamtfederung vorn 170 mm; hinten 220 mm) ergeben sich ausgezeichnete Fahreigen- schaften. Zur Verringerung der durch die weiche komfortable Federung be- dingten Seitenneigung bei Kurvenfahrt erfolgte zur Unterstützung der Federn der Einbau eines Drehstab-Querstabilisators, der am hinteren Rahmenende durch zwei und an den beiden Schräglenkern durch je ein wartungsfreies Gummilager fixiert ist. LENKUNG Ebenso wie das gesamte Fahrwerk ist auch die Lenkung entsprech- end den derzeitigen technischen Erkenntnissen vollkommen neu gestaltet. Dabei konnte durch sorgfältige Abstimmung mit der gesamten Vor- derachskinematik und dem veränderten Lenkübersetzungsverhältnis eine äußerst exakte und gerade für einen Fronttriebler auch sehr leichtgängige Lenkung erzielt werden. Bei der Erhöhung des Lenkübersetzungsverhältnisses auf etwa 1 : 19 |
sind bei den gegenüber der alten Ausführung größeren Lenkein- schlägen etwa 3½ Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag notwendig. Die Lenkung selbst ist als Zahnstangen-Schubstangen-Lenkung aus- gebildet, das heißt. neben dem üblichen Zahnstangen-Lenkgetriebe läuft parallel eine Schubstange, die mit diesem durch eine gummi- elastische und damit stoßdämpfende Verbindung gekoppelt ist. An der Schubstange selbst sind die Spurstangen mit vollkommen war- tungsfreien inneren und äußeren Gelenken zentrisch angeschlossen. Durch eine staub- und wasserdichte Kapselung aller beweglichen Teile konnte bei der Lenkung ebenfalls die Wartungsfreiheit auf eine Laufleistung von 50000 km erhöht werden. Danach muß eine Reini- gung mit neuer Fettfüllung erfolgen. Darüber hinaus erreicht man durch eine selbsttätige Ritzelnachstellung ohne Ein- und Nachstel- lung des Zahnspiels eine spielfreie Lenkung während der gesamten Laufzeit. Gegenüber der konventionellen Lenkung, die eine laufende Nachstel- lung zur Vermeidung des Ausschlagens erfordert, wird hier durch Fe- derdruck das schwenkbar gelagerte Ritzel immer spielfrei mit der Zahnstange zum Eingriff gebracht. LAUFRÄDER - BREMSEN Gleichzeitig mit der Entwicklung des neuen Fahrwerks erfolgte die Umstellung auf die Reifengröße 6,00-13 mit Felgen 4/2½ J X 13. Dabei werden für alle Wartburg-Typen - also sowohl für die Limou- sinen- als auch für Camping- und Kombiausführung die gleichen Laufräder verwendet. Die Reifen selbst sind schlauchlos und als Niederquerschnittsreifen ausgebildet, die gegenüber der herkömm- lichen Konstruktion besseres Seitenführungsverhalten aufweisen. Die Reifen selbst sind gegenüber der alten Ausführung kleiner und in der Breite stärker und damit gleichzeitig das auffälligste äußere Kennzeichen des Wartburg 1000 mit neuem Fahrwerk geworden. Durch die kleineren Reifen mußte der Achsantrieb des Getriebes ver- ändert und der neuen Größe angepaßt werden, während die Über- setzungen der einzelnen Gänge unverändert bleiben. Trotz des geringen Felgendurchmessers der Laufräder konnten die guten und sich bisher sowohl bei vielen schweren Rallye-Sportveran- staltungen als auch im normalen Verkehr ausgezeichnet bewährten hydraulischen Bremsen mit der Gesamtbremsfläche von 920 cm² mit der Duplex- beziehungsweise Simplex-Gleitbackenanordnung an den Vorder- und Hinterrädern beibehalten werden. Durch Einführung eines neuen rallyeerprobten Bremsbelages erhöhte sich außerdem ihre Wirksamkeit bei vermindertem Fußkraftbedarf. |