UNSER TEST WARTBURG TOURIST |
Unsere erste Bekanntschaft mit dem neuen Wartburg 353 liegt nun schon fast zwei Jahre zurück. Wir berichteten darüber im Heft 8/1966 Inzwischen hat der Wartburg ein neues Getriebe erhalten, und es er- schien der neue Kombityp, der sich in seiner Gestaltung weitgehend an die Limousine 353 anlehnt. Wir hatten Gelegenheit, den Tourist reichlich 5000 km zu fahren und ihn gründlich zu untersuchen. Ehrlich gesagt, die äußere Form des Wagens, die klare Linienführung, die tiefliegende Gürtellinie mit den großen Fensterflächen gefielen uns sofort bei seinem Erscheinen ausgezeichnet, sogar noch etwas besser als die Silhouette der Limousine. Der Tourist hat jedoch sehr viel mit der Limousine gemeinsam. Unter dem Wagen verbirgt sich der gleiche Ovalrahmen, an dem hinten die in einem Winkel von 64º zur Längsachse angeordneten Schräglenker der Hinterradführung ge- lagert sind, der vorn das Triebwerk trägt und die angetriebenen Vor- derräder an Doppelquerlenkern führt. Auch die mit den Schrauben- federn ermöglichten Federwege, vorn 165 mm, hinten 220 mm sind gleich denen der Limousine, wobei innerhalb der Federn angeordnete Teleskopstoßdämpfer den Schwingungen entgegenwirken. DIE KOMBIKAROSSERIE Bis zu den hinteren Türen wurden für den Tourist auch die Bauteile der Limousinenkarosserie übernommen. Im Bereich der Hinterachse ist die Kombikarosserie mit den der höheren Belastung entsprechenden Verstärkungen versehen. Um das Kombiheck nicht zu schwer werden zu lassen, bestehen die hinteren Seitenteile und auch die Hecktür aus glasfaserverstörktem Polyesterharz. Die fahrfertige Leermasse des Tourist liegt mit 960 kg nur geringfügig höher als die der Limousine (900 kg). Der Tourist wirkt schon von außen außerordentlich großzügig und ge- räumig. Er bietet auch innen viel Platz, wesentlich mehr als die bisher gebauten Kombiwagen des Vorgängertyps. Die außen aufgesetzte Hecktür gibt eine Öffnung frei, die fast so breit ist wie die gesamte Ladefläche. In Höhe der Gürtellinie (Fensterunterkante) kann man mit einer lichten Weite von 120, ganz oben noch mit 110 cm rechnen. Die lichte Höhe des Laderaumes beträgt, zwischen dem Boden und den Verkleidungen der Hecktürfedern gemessen, noch 73 cm, bis zum Dach sind es rund SO cm. Bei umgeklappten Rücksitzen beträgt die Länge der Ladefläche 190 cm, in Höhe der Gürtellinie kann man auf Grund der schräg stehenden Hecktür noch mit 165 cm rechnen. Baut |
Die Sicherheitsgurte lassen sich hochhängen. Sie werden dadurch nicht so leicht schmutzig. Das Ablagenetz unter dem Armaturenbrett ist un- praktisch. Daraufliegende Gegenstände fallen oft herunter (unten links). man den rechten Vordersitz aus, so lassen sich Gegenstände bis zu 3 m Länge noch im Wagen unterbringen. Bei Besetzung der hinteren Sitzbank steht hinter der Rückenlehne noch eine Laderaumlänge von etwa 100 cm am Boden bzw. 75 cm in Höhe der Gürtellinie zur Ver- fügung. Die maximale Breite der Ladefläche von 130 cm wird aber im Bereich der Hinterachse durch die etwa 20 cm hohen Radkästen auf rund 90 cm eingeschränkt. Die Hecktür schwenkt noch über die Dachhöhe hinaus, so daß sie beim Beladen nicht stört. Zwei Druckfedern halten sie in dieser Lage fest und sorgen auch für den Masseausgleich beim Öffnen und Schlie- ßen. Das Reserverad, Werkzeug und Verbandkosten usw. liegen im Heck des Wagens unter der Ladefläche. Dieser Stauraum, der außer- dem noch viel Platz für Zubehör bietet, ist durch einen großen mit Gummiblöcken gehaltenen Klappdeckel und zwei seitlich eingesetzte schmale Abdeckungen zu erreichen. Auch ein kleiner Reservekanister Riemen und Federn befestigt, alle anderen Teile müssen gut ein- gewickelt werden, sonst klappern sie. Die Rücksitzbank und ihre Lehne klappen um zwei Drehachsen nach vorn, wenn die ganze Ladefläche ausgenutzt werden soll. Im hoch- geklappten Zustand rastet die Rückenlehne in Gummiblöcke ein, vor- ausgesetzt, die an der Lehne angebrachten Teile fluchten genau mit den Aufnahmeschlitzen der Gummiblöcke. Zur zusätzlichen Sicherung dienen zwei Lederriemen, die hinter den Gummiblöcken eingehängt werden. Diese einfache, aber zuverlässige Befestigung hat den großen Vorteil, daß nichts klappern kann. Bei nach vorn geklappten Rück- sitzen ergibt sich eine ebene Ladefläche ohne Zwischenräume zwi- schen den einzelnen Teilen. Bei hochgeklappten Sitzen paßt das ganze nicht so gut. Zwischen der Sitzbank und der Lehne bzw. den Rad- |
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kästen bleiben ziemlich breite Spalten offen, kleinere Gegenstände findet man dann unter dem Sitz wieder. Auf den Rücksitzen sitzt man zwar genau so bequem wie in der Limou- sine, aber das Ein- und Aussteigen ist ungünstiger. Durch die Klap- lagerung der Sitzbank wurde der freie Raum zwischen der Türsäule und der den Sitz haltenden Seitenschale doch beträchtlich ein- geschränkt. Leute mit größeren Füßen und entsprechender Schuh- nummer müssen ihre Beine durch diesen Engpaß buchstäblich hin- durchfädeln. Hinzu kommt noch, daß sich die hinteren Türen ohnehin nicht so weit öffnen lassen wie die Vordertüren. Korpulente Personen müssen deshalb geradezu akrobatische Übungen verrichten, um vom Rücksitz auszusteigen. Vollends problematisch wird es bei älteren Leuten, sie kommen zwar ganz gut in den Wagen hinein, aber ohne Unterstützung und entsprechende Unterweisung nicht mehr heraus. In der jetzigen Ausführung des Tourist erwiesen sich jedenfalls die vier Türen nicht als vorteilhaft. Die zweitürige Version des älteren Kombimodells ermöglichte auch vom Rücksitz aus ein wesentlich be- quemeres Aussteigen. In den Eisenacher Werbeprospekten ist die Rede davon, daß der Tourist in Stil, Komfort und Eleganz bisherige Begriffe vom Kombi- fahrzeug sprengt und daß man ihn als Vielzweck-Großraumlimousine bezeichnen könnte. Von außen sieht der Wagen zweifellos gut aus, seine Innenausstattung sprengt aber die bisherigen Begriffe vom Min- destaufwand, den man bei einem Wagen dieser Größen- und Preis- klasse erwarten könnte. Der Innenraum hinter den Rücksitzen ist nackt und kahl wie bei einem Transporter. Die Radkästen sind hinten nur lackiert, und bei den hinteren Seitenwänden hat man es nicht einmal für notwendig erachtet, die Langlöcher im Blech abzudecken, durch die die Kotflügelschrauben zu erreichen sind. Auf dem Boden der Lade- fläche und auf den Rückseiten der hinteren Sitze wo sogar der Tra- bant-Universal Teppiche hat, befinden sich beim Wartburg Tourist, der rund das Doppelte kostet, nur einfache Gummimatten. Diese, man muß schon sagen primitive Ausstattung enttäuscht des- halb besonders, weil sich die internationale Tendenz bei Kombifahr- zeugen ganz eindeutig auf die überwiegende Verwendung als Viel- zweckfahrzeug und Limousine mit größerem Platzangebot orientiert. Der VEB Karosseriewerke Dresden, Betriebsteil Holle-Diemitz, der für die Konstruktion und Fertigung der Karosserie des Tourist verant- |
wortlich zeichnet, hat dieser internationalen Entwicklung nicht Rech- nung getragen, denn der Tourist läßt seinen Charakter als Nutzfahr- zeug nicht nur erkennen, sondern betont ihn noch. Welche Möglich- keiten das Karosseriewerk damit im wahrsten Sinne des Wortes ver- schenkt hat, sei nur an einem Beispiel erwähnt. Das 1968er Modell des schwedischen Saab-Kombi hat hinter den Rücksitzen noch eine weitere Sitzbank, die in die Ladefläche eingelassen ist und nach Be- darf hochgeklappt wird und zusätzlich zwei Personen (insgesamt sie- ben) Platz bietet, die Rücken an Rücken mit den Fondpassagieren sitzen. Dabei ist der Saab annähernd genau so groß und genau so schwer wie der Tourist. Er wird auch noch mit dem Dreizylinder-Zwei- taktmotor (841 cm³, 42 PS) geliefert. Sein Ladevolumen ist mit 1,2 m³ wesentlich kleiner als das des Tourist mit 1,8 m³, aber seine Nutzlast liegt mit 585 kg ganz erheblich über der des Tourist mit 450 kg. Vielleicht lassen sich die Karosseriewerke wenigstens für das noch zu erwartende Luxusmodell des Tourist etwas einfallen. In den Seiten- wänden befinden sich zum Beispiel links und rechts je zwei Gewinde- löcher M 8, mit deren Hilfe sich auch ein Zwischenboden gut befesti- gen ließe. Dadurch ergäbe sich nicht nur ein abgeschlossener Koffer- raum, der seinen Inhalt nicht allen Blicken frei darbietet, sondern auch eine große Ablagefläche für Kleidungsstücke und ähnliches. Eine Entlüftung im Heck wie bei der Limousine 353 gibt es beim Tourist nicht, es lassen sich lediglich die Fenster der vier Seitentüren herunterkurbeln. Man muß also im Winter mit einem Beschlagen der Heckscheibe rechnen, weil im hinteren Teil des Innenraumes keine Luftbewegung stattfindet. Die Temperaturen im April und Mai boten uns jedoch keine Gelegenheit, in dieser Hinsicht praktische Erfahrungen zu sammeln. Auch die Wirksamkeit der Heizung konnten wir deshalb nicht erproben. Sie dürfte unseres Erachtens aber auch für den Innen- raum des Tourist ausreichen, zumal sich der Luftdurchsatz mit Hilfe des zweistufigen Gebläses beträchtlich steigern läßt. Das Gebläse lief im Gegensatz zu dem der damals von uns gefahrenen Limousine auch in der zweiten hohen Drehzahlstufe recht leise. Bevor wir uns den Fahreigenschaften zuwenden, noch ein Hinweis speziell zur Kombikarosserie. Als wir beim Transport langer Gegen- |
stände die Hecktür offen lassen mußten, hatten wir den ganzen Wagen voller Auspuffgase. Die Gase dringen natürlich auch ein, wenn die Abdichtung der Hecktür nicht an allen Stellen dicht schließt. Un- seres Erachtens ist die Verlegung der Auspuffanlage daran schuld. Der Auspuff unseres Testwagens endete genau wie bei der Limousine bei- nahe in Wagenmitte unter der Stoßstange. Bei seitlich links hinten herausgeführtem Auspuffrohr gelangen. die Gase nicht in den Luft- wirbel am Wagenheck. Wir sind jedenfalls mit dem Trabant-Universal, dessen Auspuff seitlich links hinten endet, schon oft mit offener Heck- tür gefahren, ohne irgendwelche Gase im Wagen zu bemerken. Daß die schräg geneigte Hecktür weniger verschmutzt, ist leider ein Wunsch der Konstrukteure geblieben. Bei einer Regenfahrt kann man schon bald durch die Heckscheibe nichts mehr sehen, und ein nasser Schwamm gehört unbedingt zur Ausrüstung. Es ist bedauerlich, daß die Konstrukteure der Kombikarosserie diesem Mangel nicht mehr Auf- merksamkeit geschenkt haben und es wieder den Fahrern überlassen, sich mit entsprechenden Schmutzfängern selbst zu helfen. Auf den Vordersitzen sitzt man sehr bequem, hat auch in Kurven einen guten seitlichen Halt und spürt auf langen Strecken keine Ermüdung, die auf die Sitzgestaltung zurückzuführen wäre. Eine Verstellung der Rückenlehne ist bei der Standardausführung nicht vorhanden, wir haben das aber nicht als nachteilig empfunden. Die Stoffbezüge der Sitze sind von Vorteil, denn man schwitzt auf ihnen nicht wie auf Kunststoffbezügen. DIE FAHREIGENSCHAFTEN Die Straßenlage des Tourist versöhnte uns mit vielem, was uns an dem Wagen nicht gefiel. In dieser Beziehung hat der neue Wartburg Maßstäbe gesetzt, die von keinem anderen bei uns handelsüblichen Wagen erreicht werden. Mit einer derartigen Spurtreue, Rutschfestig- keit in Kurven auch bei nasser und schmieriger Fahrbahn kann weder der Skoda noch der Moskwitsch, Wolga oder Tatra aufwarten. Allen- falls der Trabant kann noch konkurrieren. Der Wartburg verbindet aber das hervorragende Fahrverhalten mit einer weichen, leicht an- sprechenden Federung, die auch schlechte Straßen als gar nicht so übel empfinden läßt. Von einzelnen Unebenheiten, langen Bodenwel- len usw. spürt man überhaupt nichts, sie schluckt die Federung an- standslos. Kurz aufeinanderfolgende, waschbrettartige Wellen spürt man zwar in der Lenkung, nicht aber im Sitz. Wie alle frontgetriebenen Fahrzeuge reagiert auch der Wartburg in Kurven ein wenig untersteuernd, das heißt, er beschreibt einen Kur- venradius, der größer ist als es dem Radeinschlag entsprechen würde. Diese Tendenz ändert sich sofort, wenn in der Kurve das Gas weg- genommen wird und der Wagen ohne Antriebskraft rollt. Der Kurven- radius wird dann von selbst enger und erfordert eine Korrektur mit dem Lenkrad. Auf diese Eigenschaften kann man sich aber sehr gut einstellen, und es ist wirklich kein Problem, den Wartburg auch in kri- tischen Situationen zu beherrschen. Auf schmalen, kurvenreichen Land- straßen macht es ausgesprochen Spaß, mit ihm zu fahren, weil der Wagen zentimetergenau dem eingeschlagenen Kurs folgt. Bei Über- holvorgängen, bei denen mitunter auch die Randstreifen hart an der Baumgrenze befahren werden müssen, ist die gute Spurhaltung ein erheblicher Sicherheitsfaktor. Auch auf der Autobahn benimmt sich der Wagen sehr angenehm, selbst bei starkem, böigem Seitenwind kann von Windempfindlichkeit keine Rede sein, obwohl die Karosserie des Tourist große Angriffs- flächen bietet. Hier wirkt sich der Frontantrieb und der relativ weit vorn liegende Schwerpunkt sehr günstig aus. |
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Im Bereich des Laderaumes sind die Radkästen und Seiten- wände nicht verkleidet. Die Hecktür wird von Ausgleichsfedern gehalten und schwenkt weit genug nach oben, so daß sie beim Beladen nicht stört. Unter dem aufklappbaren Boden lassen sich außer dem Reserve- rad eine Menge Kleinigkeiten unterbringen (unten rechts). Hervorragend sind die Bremsen. Der Wagen hat vorn Duplex- hinten Simplex-Trommelbremsen, wobei ein Bremskraftbegrenzer das Blockie- ren der Hinterräder vermeidet. Auch beim Bremsen aus hohen Ge- schwindigkeiten bleibt der Wagen exakt in seiner Spur und zeigt keinerlei Neigung zum Schiefziehen oder gar Ausbrechen. Die von uns ermittelten mittleren Verzögerungen, der Fußbremse lagen bei 8,5 m/s². Die nur auf die Hinterräder wirkende Handbremse ermög- lichte eine Bremsverzögerung von 3,15 m/s². Der Handbremshebel liegt an der griffgünstigsten Stelle zwischen den Vordersitzen. DAS TRIEBWERK Der Motor unseres Testwagens war nicht einer der schnellsten, er brachte nicht ganz die katalogmäßige Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h. Aber unser Testwagen hatte auch schon über 12000 km auf dem Tachometer, als wir ihn übernahmen. Wir stoppten 123 km/h und 117,5 km/h in der Gegenrichtung, im Mittel also 120,25 km/h. Dafür vertrug der Motor aber Dauergeschwindigkeiten von 115 km/h bis 120 km/h stundenlang. Auch die Beschleunigungszeiten 0 bis 80 km/h in 15 s und 0 bis 100 km/h in 27 s bei Besetzung mit zwei Personen liegen ein wenig unter denen der von uns vor zwei Jahren gefahrenen Limousine. Hier hat aber die Kupplung einigen Anteil, sie faßte beim scharfen Anfahren nicht gleich, sondern rutschte noch ein wenig durch. Wir verzichteten deshalb auf eine Messung der Beschleunigung bei voller Belastung. Der Kraftstoffverbrauch des Testwagens lag bei 9,1 bis 9,3 l/100 km, wenn auf Fernstrecken nicht die volle Motorleistung ausgenutzt, nicht allzu scharf beschleunigt und Geschwindigkeiten um 90 km/h gefahren |
wurden. Bei scharfer Fahrweise und Geschwindigkeiten um 115 km/h auf der Autobahn brauchten wir 9,9 bis 10,2 l/100 km im Durchschnitt. Im Stadtverkehr ergaben sich maximal 10,8 l/100 km. Diese Werte sind für einen Wagen mit beinahe einer Tonne Leermasse durchaus akzep- tabel. Auch bei voller Belastung lag der Verbrauch auf Fernfahrten bei 10 l/100 km und im Stadtverkehr wurden maximal 11,5 l/100 km ermittelt. An diesen Werten hat der neue Fallstromvergaser wesentlichen Anteil. Er kann im Leerlauf und Teillastbereich sehr sparsam eingestellt wer- den, denn bei hohen Geschwindigkeiten und Belastungen steht ein zu- sätzliches Anreicherungssystem zur Verfügung, das erst bei relativ weit geöffneter Drosselklappe eingeschaltet wird. Begnügt man sich auch beim Beschleunigen mit wenig Gas, so fährt man im sparsamen Teil- lastbereich. Mit dem Verhalten des Motors bei niedrigen Belastungen waren wir nicht ganz zufrieden. Er lief einwandfrei im Leerlauf, nahm tadellos Gas an und beschleunigte sehr sauber über den ganzen Drehzahl- bereich. Bei sehr geringen Belastungen lief er aber nicht rund. 30 km/h Geschwindigkeit, die sich im Stadtverkehr sehr häufig ergibt, behagte ihm gar nicht. Der Motor lief dabei in keinem Gang sauber, sondern stets unrund und stoßweise. Man hatte den Eindruck, er pen- delte stets im neutralen Bereich zwischen Ziehen und Freilauf. Natür- lich kann man das kompensieren, indem nur ab und zu etwas Gas gegeben wird und der Wagen zwischendurch mit Freilauf rollt. Wir vermuten aber, daß die Ursache beim Fallstromvergaser liegt, denn beim Wartburg mit Horizontalvergaser haben wir derartiges nie bemerkt. Das neue Getriebe, das für wesentlich größere Motorleistungen aus- gelegt ist als der Wartburg jetzt hat, ist nach unserem Eindruck gut abgestuft. Man findet beim Ausfahren eines jeden Ganges gut An- schluß an den nächsten, in dem dann etwa das maximale Dreh- moment zur Verfügung steht. Der zweite Gang reicht bis über 50 km/h, der dritte bis fast 90 km/h. Die Gänge lassen sich exakt schalten, auch das Einlegen des Rückwärtsganges bereitet keinerlei Schwierigkeiten |
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mehr. Der Freilauf sitzt jetzt am Getriebeeingang auf der Antriebs- welle, beim alten Getriebe befand er sich am Getriebeausgang und mußte deshalb beim Einschalten des Rückwärtsganges gleichzeitig gesperrt werden. Diese doppelte Schaltfunktion - Rückwärtsgang und Freilauf -, die die bekannten Schaltschwierigkeiten beim alten Ge- triebe zur Folge hatte, fiel beim neuen Getriebe weg. Allerdings erfordert das neue Getriebe beim Schalten eine etwas größere Handkraft, mit einem Finger wie bisher passiert es, daß der entsprechende Gang noch nicht richtig "drin" ist. Der Hebel liegt auch etwas versteckt hinter dem Lenkrad, so daß man leicht einmal ab- rutscht. Ein etwas längerer Schalthebel bzw. Handgriff ist viel günsti- ger. Wir sind eine Zeit lang mit einem zwischen Hebel und Griff ein- geschraubten 4 cm langen Verlängerungsstück gefahren. Das ist wirk- lich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Der Schalthebel liegt dadurch griffgünstiger und läßt sich spielend leicht bedienen. Ein Abrutschen oder Verschalten kommt nicht mehr. vor. Auf den Geräuschpegel im Wagen hat sich das neue Getriebe nicht gerade günstig. ausgewirkt. Es ist merklich lauter als das alte, und die Geräusche werden im Tourist mit seinem größeren Innenraum, der wie ein Resonanzkörper wirkt, wahrscheinlich noch stärker empfun- den als in der Limousine. Im vierten Gang bei mittleren und höheren Geschwindigkeiten halten sich die Triebwerkgeräusche in Grenzen. Beim Beschleunigen, vor allem in den unteren Gängen passen die sehr laut knurrenden Töne nicht zum Charakter dieses Wagens. DIE AUSSTATTUNG Das international inzwischen wieder unmodern gewordene Band- Tachometer im Rechteckformat zeigte bei Geschwindigkeiten um 50 km/h recht genau an, bei höheren Geschwindigkeiten lag die Anzeige etwa 5 km/h höher als die tatsächlich gefahrene Geschwin- digkeit. Die obere Abdeckung des Tachometers mit dem Blendschutz- rahmen wie auch das Plastmaterial der Lenksäulenverkleidung ziehen Staub magisch an. Auch der Platz für den Lautsprecher ist neben dem Aschenbecher nicht gerade vorteilhaft. Ein Wartburgfahrer, der ein Radio eingebaut hatte, zeigte uns die kleinen Schmutzfontänen, die bei der Senderwahl aus dem Ziergitter wie Springbrunnen aufsteigen. Die Schalter und die Regulierhebel für die Heizung sind gut zugäng- lich, und auch der stabile, in das Armaturenbrett eingearbeitete Hand- griff für den Beifahrer verdient allen Beifall. Sehr ungünstig liegen da- gegen die Zugknöpfe für die Starterklappe und die Kühlerjalousie. Hier sind Verletzungen durch die scharfe Blechkante des Armaturen- brettes nicht ausgeschlossen. Am meisten haben wir uns über das Ablagenetz unter dem Arma- turenbrett geärgert. Auf schlechten und kurvenreichen Straßen schwingt das nicht genügend steife Drahtgestell mit dem ganzen Netz derart, daß einem alles auf die Füße fällt. Der Beifahrer hat dabei alle Hände voll zu tun, um Autoatlas, Zigaretten und die übli- chen Kleinigkeiten festzuhalten. Wir hatten das erste Mal das "Ver- gnügen" mit dieser Ablage der Standardausführung, sie ist praktisch nicht verwendbar und mit der Verkehrssicherheit erst recht nicht zu vereinbaren. Andererseits weiß man nicht, wo man in diesem Wagen irgendwelche Kleinigkeiten lassen soll. Es gibt keine Türtaschen, keinen Handschuhkasten, nur dieses Ablagenetz. Die Luxuslimousine hat anstatt des Netzes wenigstens eine Kunststoffschale, auf der zwar vieles klappert und hin- und herrutscht. von der aber nichts herunter- fällt. Wir sind der Meinung, daß sich das Automobilwerk auch für die Standardausführung etwas anderes einfallen lassen muß, die jetzige Ausführung ist unzumutbar. |
Die Ladefläche ist rund 1,90m lang und hat eine Größe von 2,40 m². Daß der Wartburg einer der wenigen Wagen ist, der immer noch für Zündung und Türschlösser getrennte Schlüssel braucht, obwohl die Schlösser in ihrem Aufbau gleich sind und vom gleichen Hersteller kommen, sei nur am Rande erwähnt. Als größeren Nachteil empfan- den wir den nicht abschließbaren Tankdeckel. Übrigens haben beide Vordertüren ein Schloß, die Schlösser lassen sich aber nicht von innen verriegeln oder entriegeln. Das ist nur eine halbe Lösung, wenn auch das zweite Türschloß den Vorteil bietet, daß man in engen Parklücken von beiden Seiten in den Wagen hineinkommt. Ausgezeichnet sind die Scheinwerfer, vor allem in der Ausleuchtung der Fahrbahn bei Abblendlicht hält der Wartburg gegenüber allen anderen bei uns handelsüblichen Wagen die Spitze. Auch die Reflek- torverstellung ist zu begrüßen, mit der die Scheinwerfereinstellung mit zwei Handgriffen der Belastung angepaßt werden kann, ebenso das mit dem Lenksäulenschalter zu bedienende elektromagnetische Ab- blendrelais. Die elektrische Scheibenwaschanlage, Scheibenwischer mit zwei Geschwindigkeiten, Motorraumbeleuchtung, von Türschaltern ein- geschaltete lnnenbeleuchtung, beim Tourist auch eine Deckenlampe in Hecktürnähe sowie zwei Schlußleuchten, die sich bei geöffneter Hecktür einschalten und Rückfahrscheinwerfer gehören zur Serienaus- stattung. Angesichts der gegenüber anderen vergleichbaren Wagen hervor- ragenden Straßenlage und auch angesichts der Bremsen empfindet man jedoch den Wartburg mit nur 45 PS als untermotorisiert. Fahr- werk, Bremsen und auch das neue Getriebe würden nach unserer Einschätzung auch einem Motor mit etwa 60 PS gerecht werden. Wir meinen, daß es im Automobilwerk Eisenach für die nächste Zeit zu den wichtigsten Aufgaben gehören muß, sich um einen stärkeren Motor für den Wartburg zu bemühen. Auch eine Verbesserung der Ausstattung dürfte nicht unmöglich sein. Damit würde der in der äußeren Form recht gut gelungene Tourist, dem wir nach unserer Testfahrt auch sehr gute Fahreigenschaften bescheinigen können, noch an Anziehungskraft gewinnen.e-p |